Die Hochhäuser am Baaderweg sind eingerüstet. Die Fenster verpackt hinter dicken Plastikfolien. Der Komplex der ehemaligen LEG-Wohnungen, der nun dem Immobilienfonds Whitehall gehört, steckt mitten in der Modernisierung. "Was hier jetzt wird, wissen wir nicht. Auch nicht, welchen Einfluss wir noch haben", sagt Werner Koch, Vorsitzender des Mieterbeirats. Er blickt skeptisch in die Zukunft, aber weiterkämpfen will er doch.
Die Skepsis scheint angebracht. Ende August wurde der Verkauf der Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG NRW) an den Immobilienfonds Whitehall der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs endgültig vollzogen. Schon jetzt ist klar: Das ehrgeizige Modernisierungsprogramm des gesamten LEG-Wohnungsbestandes, das bis 2012 über die Bühne gehen sollte, wird es so nicht geben. Der neue Eigentümer hat die LEG-Geschäftsführung bereits angewiesen, das geplante Investitionsvolumen zu kürzen. Und weitere Aufträge an Bauunternehmen erst mal nicht zu erteilen.
Mieterbeiräte werde es auch in Zukunft geben – so proklamierte Bauminister Oliver Wittke im Landtag Mitte Juni dieses Jahres. Whitehall werde dazu verpflichtet, solche Mitwirkungsmöglichkeiten für Mieter in seinen Wohnvierteln einzurichten. Eine Clearingstelle im Ministerium überprüfe dann die Beschwerden der Mieterbeiräte regelmäßig. Die Clearingstelle gibt es inzwischen. Wie eng diese mit den Mieterbeiräten zusammenarbeiten wird, ist nicht bekannt. Aus einer Pressemitteilung von Anfang September ist nur zu erfahren, dass "bei Problemen vor Ort insbesondere der Mieterbeirat helfen kann, der zwischen der jeweiligen Vermittlungsgesellschaft der LEG und dem Mieter als Vermittler auftreten soll".
Zwischen allen Stühlen
Ob das quasi ministeriell eingerichtete Beschwerdeverfahren in der Praxis tatsächlich den Mietern zugute kommt oder hier Mieterbeiräte nur instrumentalisiert werden? Mieterbeirat Koch zuckt mit den Schultern. "Für mich ist das erst mal nur Mundpropaganda. Wer will das letztlich alles überprüfen. Und was bringt die Sozialcharta, was bringen solche Vereinbarungen, wenn weiterverkauft wird?"
Koch kennt die Arbeit im Mieterbeirat seit ihren Anfängen. Im Oktober 1973 wurde für die 1640 Mietparteien der Neuen Heimat in Scharnhorst-Ost der erste Mieterbeirat gewählt. "Es war bundesweit der erste von Mietern gewählte Mieterbeirat überhaupt." Seit 1974 ist Koch mit dabei. Als ab 1967 Bauabschnitt für Bauabschnitt der Großwohnsiedlung mitten auf dem Acker hochgezogen wurde, fehlte es an vielen Dingen, die heute selbstverständlich sind: Begehbare Wege, Spielplätze, Ärzte und Lebensmittelläden. "Damals war es wichtig, dass die Mieter einen Ansprechpartner hatten, der ihre Interessen gegenüber der Neuen Heimat vertreten konnte. Das haben wir gemacht."
Mieterbeiräte im Aufwind
Ein bunt gemischter Haufen aus Interessenvertretern verschiedener Parteien, so Koch, und Mitarbeiter der Wohnungsgesellschaft selbst haben die Gründung unterstützt. 1975 und 76 entstanden in der Großwohnsiedlung Scharnhorst-Ost Mieterbeiräte auch bei der Wohnungsunternehmen Ruhr-Lippe und bei der DOGEWO. Das entsprach einerseits der politischen Stimmung der frühen 70er Jahre: der Forderung nach mehr Mitbestimmung der Bürger in allen Lebensbereichen. Aber auch dem ureigensten Interesse der Wohnungsunternehmen, die recht schnell erkennen mussten, dass die spezifischen Probleme von Großwohnsiedlungen leichter mit engagierten Mietern, die sich für ihr Wohnumfeld stark machen, zu bewältigen waren.
Anders als in anderen gesellschaftlichen Bereichen, wie z.B. in der betrieblichen Mitbestimmung, hat diese Demokratisierungswelle aber nicht zur gesetzlichen Erweiterung der Mieterrechte geführt. Den Wohnungsunternehmen gelang es, die an vielen Orten der Republik entstandenen Mieterinitiativen auf ihre Weise zu kanalisieren: durch die Einrichtung von Mieterbeiräten. Als gewählte Vertreter der Mieter haben diese das Recht, über alle die Wohnanlage betreffenden Angelegenheiten, z.B. über die Betriebskostenabrechnungen und Instandhaltungsmaßnahmen informiert zu werden. Sie können dazu Ergänzungsvorschläge und Empfehlungen einbringen. Mitentscheiden können sie aber kaum.
Modellprojekte
Viele der Mieterbeiräte sind in den 80er Jahren schon wieder von der Bildfläche verschwunden. Vielleicht auch deshalb, weil das Instrument Mieterbeirat nur ein "demokratisches Feigenblatt" ist? Weil, wie die Verfasser einer wissenschaftlichen Begleitstudie zur Mieterbeteiligung (1989) vermuten, "Mitwirkung ohne tatsächliche Entscheidungsmöglichkeiten oft wirkungslos und für die Mieter nutzlos bleibt"? Von der sozialliberalen Koalition wurde schon Anfang der 80er Jahre verstärkt diskutiert, Mieterbeiräte im sozialen Wohnungsbau auf gesetzlicher Grundlage zu etablieren, das Vorhaben aber nicht verwirklicht.
Auch 1989 gab es einen Vorstoß in Sachen Mietermitbestimmung: Nach dem Zusammenbruch der Neuen Heimat beteiligte sich die LEG NRW an einem Modellvorhaben. Dieses sollte die stufenweise Erweiterung der Mitbestimmungsrechte von Mietern in drei ausgewählten Zechensiedlungen erproben und dokumentieren. Das Projekt war erfolgreich, wurde aber in anderen Siedlungen nicht umgesetzt. Auf dem Mietertag 1991 schließlich forderten Mietervereine alle Wohnungsunternehmen in der BRD auf, siedlungsbezogene Mietermitbestimmung auf Unternehmensebene einzuführen. Die Forderung zerschellte an der breiten Front der Wohnungsgesellschaften, die ihre Rechte als Eigentümer bedroht sahen.
"Wir haben doch viel bewegt"
Als Papiertiger am Gängelband der LEG hat Koch, der langjährige Vorsitzende des Mieterbeirats, seine Rolle nie gesehen. "Wir haben einiges durchgesetzt und sind dafür auch auf Konfrontationskurs gegangen." Er erinnert an die Mieterproteste gegen die Neue Heimat im Jahr 1984, die zu dieser Zeit die Mieten auf 7 DM pro Quadratmeter anheben wollte.
Eingemischt haben sich er und seine Kollegen auch bei laufenden Instandsetzungsarbeiten, setzten sich für bessere Wärmedämmung ein. "Ein wichtiges Thema war die Fehlbelegungsabgabe. Die musste weg. Das haben wir ja dann auch geschafft."
Heute ist die Arbeit schwieriger geworden. Die Mieterstruktur ist nicht mehr so homogen. Schon die Verständigung in dem heute multikulturell geprägten Quartier stößt an Grenzen. Viele Mieter sind nicht mehr bereit sich zu engagieren, was auch die Wahlen der Mieterbeirates erschwert.
Neue Heimat - LEG – Whitehall, das klingt wie eine Weltreise. Für Koch sind es 37 Jahren seines Lebens als Mieterbeirat. Die schmeißt man nicht einfach hin: "Wir machen weiter. Und gehen notfalls an die Öffentlichkeit und zeigen, was die Landesregierung uns da angetan hat."
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