Finanzinvestoren treiben Mieter zur Verzweiflung – und zur Gegenwehr - "Um Ansprechpartner bei den Heuschrecken festzumachen, müssten wir mittlerweile unsere Notizen über die Verkäufe und Mehrfachverkäufe von Siedlungsbeständen tagesaktuell machen", sagt Helmut Lierhaus vom Mieterverein Dortmund. "Das Karussell der neuen Eigentümer und Wohnungsverwaltungen dreht sich immer schneller. Mieter und Mieterinnen stehen vor immer größeren Problemen". Ganz besonders wild geht es derzeit in Dortmund-Westerfilde zu. Der Stadtteil ist mittlerweile ein Tummelplatz von internationalen Finanzinvestoren und Immobilienfirmen, die in Deutschland auf Schnäppchenjagd gehen.
Nachdem Viterra, vormals Veba-Wohnen, 2004 ihre Westerfilder Wohnungen auf Verkaufslisten gestellt hatte, wurden große Teile beim Zwischenerwerber MIRA geparkt. Aus diesem Paket erfolgten Weiterverkäufe an die Firmen "Wohnprojekt Essen" und "Emscher Siedlungsgesellschaft". Kaum zwei Jahre später landeten über tausend Wohnungen aus den späten 60er und frühen 70er Jahren bei Finanzinvestoren wie "Griffin Bonds", Dänemark, "Valbonne RE", Niederlande oder "Promontoria", niederländisch Antillen. Ein Restbestand älterer "Mira"-Wohnungen kam unter Kontrolle der Annington, dem Nachfolger der an den britischen Investor Terra-Firma verkauften Viterra.
Die regional berüchtigte Privatisierungsfirma Häusser-Bau GmbH kaufte weitere ca. 400 Wohnungen in Westerfilde aus einem Paket früherer Neue Heimat-Wohnungen der Wenzel/Görtmüller KG. Mit über 100 Wohnungen der kommunalen Dogewo war die Janssen & Helbing GmbH dabei, die in Dortmund und Bochum, aber auch bundesweit, marode Bestände zusammenkaufte und in Insolvenz und Zwangsverwaltung führte.
Im Herbst 2008 geriet auch Griffin als Verwalterin der Griffin Rhein-Ruhr GmbH & Co KG, in der über 5.000 Wohnungen in NRW gebündelt sind, ins Straucheln. Dort hat jetzt die dänische Tower A/S das Sagen.
Der Fall von Griffin ergreift Westerfilde
Bei Griffin/Tower geht es in Westerfilde um 750 Wohnungen. Handwerkerrechnungen in sechsstelliger Höhe waren nicht mehr bezahlt und die Aufzüge im gesamten Wohnungsbestand ohne Ankündigung still gelegt worden.
Eine dort lebende Wohngemeinschaft von Behinderten musste Nothilfe in Anspruch nehmen, um Schlimmstes zu verhindern. Die Hausverwaltung hat im letzten Jahr gewechselt. Obwohl durch das zugeschaltete Unternehmen "German Trust" große Pläne geschmiedet wurden, hat sich am schlechten Zustand der Gebäude und Grundstücke nichts geändert.
"Hier wird alles versaut"
All das wirkt wie eine weitere Drehung der Abwärtsspirale, in die der Ortsteil Dortmund-Westerfilde ohnehin schon durch den Verlust von Arbeitsplätzen und dann durch Hartz IV geraten war. Seit gut fünf Jahren werden Instandsetzungs- und Modernisierungsmängel der 70er Jahre-Siedlungen sichtbar und fühlbar. Dann kamen Wegzüge von denen, die es sich leisten konnten, und Zuzüge von mehr SozialhilfebezieherInnen, die durch verbilligte Mietangebote und Einkaufsgutscheine für IKEA angelockt wurden.
"Als wir vor 40 Jahren hier in den Kiepeweg zogen, war die Siedlung eine schöne Ecke, grün und ordentlich für uns und die Kinder", schwärmt der Mieter Ritterswürden. "Da drüben war der Fußballplatz für die Älteren. Wir haben mitgemacht. Heute steht dort das Schild ‚Fußballspielen verboten’. Mitgemacht haben wir auch beim Sauberhalten, auch draußen. Unsere Aufgänge hatten ein Buch zum Abzeichnen, und alle 10 Wochen war eine Wohnung mit den Müllplätzen dran. - Aber heute hat doch keiner mehr Lust dazu. Das ständige Durcheinander mit Nebenkosten, überhöhten Nebenkosten, die sie nicht zurückzahlen. Hausverwaltungen, die keine Ahnung haben, schreiben Forderungen, die schon die alten zurückgezogen haben. Alufenster – es war versprochen, sie auszuwechseln. Nichts ist passiert! Jetzt soll im Februar wieder einer durchgehen, der müsste bei Null wieder anfangen. Da wird doch gelogen. Das wird alles versaut hier."
Mieterbeirat gebildet
Unterstützt durch den Mieterverein Dortmund hat sich im Sommer 2007 ein Mieterbeirat in Westerfilde gebildet. Mittlerweile sind mehrere Siedlungsteile dabei. Leute, die im Mieterrat einfach Parteipolitik machen wollten, sind nicht mehr so wichtig. In Frau Monika Homann hat der Mieterbeirat auch eine engagierte und selbstlose Vorsitzende gefunden, die zur Ansprechpartnerin für alle werden konnte. Der Mieterbeirat Kommt 14-tägig donnerstags in der NOAH-Kirchengemeinde zusammen.
Wacht die Stadtpolitik auf?
10 Jahre lang hatte die Kommunalpolitik den einstigen Vorzeigestadtteil vergessen und abgeschrieben. Jetzt ist sie durch den Mieterbeirat aufgeschreckt worden. Eine Stadtteilkonferenz machte das Desaster von Westerfilde im vollen Umfang sichtbar. Der Sozialdezernent will nun mit einem "kleinräumigen Handlungskonzept" und einem "Frühwarnsystem" den Absturz von Vierteln verhindern, obwohl klar ist, dass sich Westerfilde schon mitten im Absturz befindet.
Der SPD Ortsvereinsvorsitzende stellte dann lediglich zwei "Quartiershausmeister" vor, deren Aufgaben bis heute unbekannt sind. Der Oberbürgermeisterkandidat der CDU verwies neulich im Mieterbeirat auf den Rechtsweg. Viele Mieterinnen und Mieter klagen schon lange vor Gericht. Sie können aber nicht ändern, dass das Geschäftsgebaren der Investoren insgesamt auf Herunterwirtschaften gerichtet ist.
Da ist es gut, dass das Wohnungsamt zugesagt hat, einen Techniker zu schicken, der für die allerschlimmsten Wohnungen, die schwarz von Feuchtigkeit und Schimmel sind, ordnungsrechtliche Maßnahmen der Stadt vorbereitet, die auch zu saftigen Zwangsgeldern führen können.
Breiter Zusammenschluss
"Um etwas für Westerfilde und den Zustand der Wohnungen zu erreichen, müssen wir noch viel besser zusammen halten, breitere Kreise ziehen und die Kommunikation stärker machen", meint die Mieterbeirats-Vorsitzende Homann. "Jetzt sind schon Migranten dabei, die Reparaturhandwerker, junge Mitbürgerinnen und auch einzelne Geschäftsleute." Dass der Mieterbeirat wächst und an Kraft zulegt, ist auch dringend erforderlich.
Wer sonst kann erreichen, dass neun Familien, die in eigentlich unbewohnbaren Wohnungen leben, umgehend gesunde Ersatzwohnungen bekommen? Wie sonst sollen die Investoren zur Modernisierung von Fenstern und zur Wärmedämmung gezwungen werden? Wie sonst können die "Heuschrecken" zum Abzug bewegt werden, oder wie können die Durststrecken überstanden werden, bis wieder sozial eingestellte Investoren gefunden sind?
Kontakt | Sitemap | Datenschutz | Impressum