Standbeine für Abzocker - Im Jahr 2004 wechselten über 150.000 Wohnungen im Ruhrgebiet den Besitzer - und ein Ende ist nicht abzusehen. Die neuen Immobilienkraken setzen auf Einzelverkauf und Börsengeschäfte. Jüngster Coup ist der Verkauf der Wohnungs-Töchter von ThyssenKrupp (48.000 Wohnungen) und RWE (4500 Wohnungen). Zu ThyssenKrupp gehören zahlreiche Werkswohnungen, teilweise in den gleichen Stadtgebieten, die schon von den Privatisierungen der Viterra belastet sind. Käufer von ThyssenKrupp ist ein Konsortium von Morgan Stanley und deutschen Anlegern. Zwar haben die Aufkäufer inzwischen versichert, für die Mieter werde sich nichts ändern.
Fakt ist aber, dass im Kaufvertrag keine Schutzbestimmungen für Mieter und Beschäftigte verankert sind. Die Hoffnung, mit den Schutzbestimmungen beim Verkauf der bundeseigenen Gagfah im letzten Jahr seien soziale Maßstäbe auch für die Privatwirtschaft gesetzt worden, hat getrogen. Der Verzicht auf Schutzbestimmungen erklärt vielleicht auch den im Vergleich zur Gagfah hohen Kaufpreis von 2,1 Mrd. Euro.
Schutzbestimmungen ja oder nein: Alle neuen Anleger verwandeln die ehemaligen Vermietungsgesellschaften in Handelshäuser. Das ist auch bei der Gagfah so, wo jetzt Fortress-Manager aus den USA die Lage sichten. Mit der Vermietung allein lassen sich die hohen Renditeerwartungen der internationalen Anleger nicht erfüllen. Mit ihren beispiellosen Verkaufsbemühungen hat vor allem die Viterra in den letzten Jahren gezeigt, wie man aus dem vernachlässigten Werkswohnungsbestand im Ruhrgebiet Profite schlägt. Das treibt den Preis für die Viterra selbst in die Höhe: Die Braut schmückt sich.
Bis Mai will E.on die Viterra (bundesweit 150.00 Wohnungen, darunter noch die Hälfte im Ruhrgebiet) nun endgültig versilbern. Neben einem Börsengang kommen mehrere internationale Kapitalfonds in Frage, darunter wieder die Bekannten des Gagfah-Pokers: Fortress und Terra Firma. Der Wert der gesamten Viterra wird auf fünf bis sechs Mrd. Euro geschätzt. Nach dem bedingungslosen Verkauf von ThyssenKrupp ist kaum zu erwarten, dass bei den Verkaufsverhandlungen irgend etwas anderes eine Rolle spielt als Geld.
Erklärungsbedürftig ist, warum sich die internationalen Fonds auf einmal so brennend für den deutschen Markt interessieren. Da ist zum einen die - teilweise geschickt inszenierte - Konkurrenz. Es gilt das Motto „Dabei sein ist alles“, um Marktanteile und Standbeine für Folgegeschäfte. Kaum hat die US-amerikanische Fortress die Gagfah gekauft, bemüht sie sich schon um die nächsten Kandidaten. Neben der Viterra ist das die Landesentwicklungsgesellschaft Niedersachsen.
Außerdem haben die Anleger bemerkt, dass die Eigentümerquote in Deutschland im Vergleich zu den USA oder England gering ist. Sie rechnen mit einer hohen Wei-terverkaufsquote zu guten Preisen. Ob sie dabei die langfristige Entwicklung auf den Immobilienmärkten - und die Wirkungen eines Überangebotes - tatsächlich realistisch einschätzen, ist fraglich. Aber darauf kommt es ihnen vielleicht auch gar nicht an. Die internationalen Fonds rechnen nur über wenige Jahre und außerdem ist Risiko ihr Geschäft. Fortress überlegt gerade, sich auch in Deutschland verstärkt auf Kredite zu hohen Zinsen zu orientieren. Bei zweistelligen Zinssätzen sollen Eigenkapitalrenditen zwischen 30 und 40 Prozent erwirtschaftet werden.
Schon beginnen die Newcomer ihre Marktmacht in politische Münze zu verwandeln. So fordert Fortress zusammen mit Banken und Unternehmen die Einführung steuerbegünstigter Immobilientrusts (REITs) nach US-amerikanischem Vorbild. Diese Fonds schütten ihre Gewinne fast vollständig aus und sind weitgehend von der Steuer befreit. Noch in diesem Jahr will das Finanzministerium über die Einführung entscheiden. Sollte es so weit kommen, wollen sowohl Fortress als auch E.on ihre Wohnimmobilien an die Börse bringen.
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