Die großen Wohnungsgenossenschaften in Dortmund haben eine lange Geschichte. Spar- und Bauverein, gwg, gws – jeder dieser Akteure hat bereits mehr als 100 Jahre auf dem Buckel. Schaffen sie es heute noch, ihren ursprünglichen Zielen gerecht zu werden? An zwei Beispielen zeigen wir, dass – trotz vieler Vorteile für die Nutzer:innen der Wohnungen – die Arbeit von Genossenschaften immer wieder kritisch durch die Mitglieder hinterfragt werden muss.
„Zweck der Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung“, heißt es in der Satzung der SparBau eG. Aber wie wird diese „sozial verantwortbare Wohnungsversorgung“ in Zeiten eines angespannten Wohnungsmarktes eigentlich definiert? Einige Genoss:innen des Spar- und Bauvereins sowie der gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft (gwg), die der Redaktion namentlich bekannt sind, stellen sich seit einiger Zeit genau diese Frage und wollen eine breite Diskussion anstoßen.
Vorab stellen die Mitglieder klar, dass sie allesamt gern in einer genossenschaftlichen Wohnform leben. „Das sind bezahlbare Wohnungen, mit gutem Service“, heißt es. Und auch: „Wenn es Probleme gibt, werden diese schnell behoben.“ Trotzdem bemerken die Genossenschaftsmitglieder eine stetige Veränderung. „Der Spar- und Bauverein nähert sich immer mehr der Politik normaler Wohnungsunternehmen an und entfernt sich von den Menschen“, sagt ein Mitglied und erzählt von Problemen, die auch bei großen Playern wie Vonovia oder der LEG immer wieder für Kritik sorgen: steigende Mieten, intransparentes Handeln, Neubaumaßnahmen im höherpreisigen Segment und Abbau von Kontaktmöglichkeiten direkt vor Ort.
Insbesondere das Verhältnis von Bestandsmieterhöhungen und der Finanzierung von Neubauprojekten wirft Fragen auf: „Lange Zeit verneinte SparBau jeden Zusammenhang zwischen Mietpreiserhöhungen im Altbaubestand und Neubauinvestitionsvorhaben. In einem aktuell vorliegenden Mieterhöhungsschreiben wird dieser Zusammenhang aber sehr wohl benannt. Brauchen wir als Genossenschaft teure Mietwohnungen für Mieter:innen, die sich Wohnungen auch auf dem normalen Wohnungsmarkt leisten können? Und findet dadurch nicht eine Entfremdung vom eigentlichen Ziel der Genossenschaft statt?“
Ähnliche Erfahrungen schildern die Mitglieder der gwg: „Wir haben das Gefühl, dass wir von der Geschäftsführung gar nicht als Miteigentümer wahrgenommen werden. Das fängt schon bei der Wortwahl an. Von uns als Genoss:innen redet da niemand.“ Generell sehen sie ein Demokratiedefizit in der Organisation: „Die gwg hat mehr als 3.000 Mitglieder. Die einzige Möglichkeit Vorschläge, Kritik und Änderungswünsche anzubringen, ist die jährliche Mitgliederversammlung. Aber wie demokratisch ist sowas eigentlich, wenn von den 3.000 Genoss:innen noch nicht einmal 100 zur Versammlung kommen?“
So wurde beispielsweise auf der letzten Mitgliederversammlung der gwg eine umfangreiche Satzungsänderung beschlossen. Ein Antrag auf Verschiebung einer so weitreichenden Änderung wurde aus formalen Gründen abgelehnt. Einige Mitglieder fühlten sich überfahren, hilf- und machtlos und von der Versammlungsleitung nicht gut vertreten. Der Ton wurde lauter, die Drohung Personen von der Veranstaltung auszuschließen, stand plötzlich im Raum. Brisantes Detail: Die neu verabschiedete Satzung orientiert sich an einer Mustersatzung des GdW, des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Dort sind viele Landesverbände organisiert, in denen neben Genossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen auch börsennotierte Player wie Vonovia und LEG vertreten sind.
Beim Spar- und Bauverein wird aufgrund der vielen Mitglieder immerhin eine 145-köpfige Vertreter:innenversammlung gewählt. Doch auch das führt zu Problemen: „Eine Versammlung mit 140 Leuten ist nicht einfach zu organisieren. Man muss sich dabei klar machen, dass sich die gewählten Vertreter:innen zum großen Teil gar nicht kennen! Zwar wird einmal im Jahr eine Bus-Rundreise zu verschiedenen SparBau-Projekten organisiert und anschließend gemeinsam gegessen, aber das reicht natürlich kaum aus, um sich auszutauschen. Hinzu kommt, dass die Hürden für die Mitwirkung ziemlich hoch sind. So bedarf es ein Drittel der Unterschriften der Vertreter:innen, damit ein Antrag auf die Tagesordnung gesetzt wird. Darüber hinaus sind viele Themen Gegenstand des operativen Geschäfts des Vorstands, so auch die Mietpreisgestaltung.“ Und das operative Geschäft unterliegt nicht der Mitbestimmung.
Für die beiden erwähnten Genossenschaften stellt sich die Situation anders dar. Sowohl SparBau als auch die gwg verweisen auf Rückfrage auf die zahlreichen Kontaktmöglichkeiten, auf lebenslange Nutzungs- bzw. Wohnrechte und auf Durchschnittsmieten von 5,02 €/m² (SparBau) bzw. 4,43 €/m² (gwg), die deutlich unter dem Dortmunder Durchschnitt von 7,52 €/m² liegen. Allesamt wichtige Punkte, mit denen sich Genossenschaften positiv von börsennotierten Wohnungsunternehmen abgrenzen.
Beim Thema Mitbestimmung wird aber deutlich, wie sich Mitglieder und operative Leitung voneinander entfernen. „Jedes Mitglied kann in unserer Genossenschaft mitwirken. Die Mitglieder werden zur Mitgliederversammlung eingeladen und können mit ihrer Stimme den Aufsichtsrat wählen oder sich selbst zur Wahl stellen“, heißt es seitens der gwg. „Noch mehr Mitgliedervertreter sind eher nicht notwendig“, antwortet der Spar- und Bauverein. Ein Veränderungsbedarf, den Mitglieder anmerken, wird nicht gesehen. Hier wäre es wünschenswert, dass kritische Impulse aus den Reihen der Genoss:innen wertschätzender aufgenommen würden. Damit Genossenschaften dicht an der Stimmung der Basis sind, sich weiterentwickeln können und damit auch zukünftig ihrem Auftrag nachkommen.
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