Kaum etwas belastet ein Mietverhältnis derart stark wie Zahlungsrückstände auf Mieterseite. Vermieter:innen beschwören den Weltuntergang, wenn Mieter:innen nicht jede Forderung pünktlich auf die Minute bezahlen. Und das Gesetz gibt ihnen weitgehend recht. Ein Rückstand von zwei Monatsmieten oder mehr rechtfertigt eine fristlose Kündigung. Doch was ist eigentlich ein Mietrückstand? Wenn bestimmte Forderungen zwischen Mieter:in und Vermieter:in strittig sind, befindet sich d:ie Mieter:in dann in Zahlungsrückstand? In Bochum treibt eine Firma ihr (Un)Wesen, die dazu eine sehr klare Auffassung hat - und ziemlich rüde Methoden, ihr Nachdruck zu verleihen.
Martin Müller, 63, lebt seit einer Ewigkeit in Bochum-Hamme, 15 Jahre davon in der Amtstraße 28. Er war ein Jahr Stadtteilkoordinator und ist im Viertel bekannt wie ein bunter Hund. Nach verschiedenen Verkäufen gehörte sein Haus seit 2016 der Firma Lietmeyer aus Hildesheim. Sie bewirtschaftet ca. 500 Mehrfamilienhäuser, davon einige in Bochum-Hamme und Werne.
Schon bald entstand Streit ums liebe Geld. Da waren Nebenkostenabrechnungen mit Beträgen für Hausmeister, die es nicht gibt, oder Gartenpflege, die nicht stattgefunden hat. Und da gab es eine Mieterhöhung, die nicht korrekt war, und der Martin Müller deshalb nicht zustimmte.
Judith Zahn, Rechtsberaterin beim Mieterverein, ist die für Martin Müller zuständige Rechtsberaterin: „Für die strittigen Nebenkosten habe ich immer wieder Belege angefordert, die nie gekommen sind. Und bei Mieterhöhungen hat ein Vermieter drei Monate Zeit, zu klagen, wenn der Mieter nicht zustimmt. Auch das ist nie passiert. Stattdessen bekommt der Mieter ständig Mahnungen.“ Und das, obwohl gesetzlich klar geregelt ist, dass ein Mieterhöhungsverfahren komplett hinfällig ist, wenn d:ie Vermieter:in nicht innerhalb der Frist auf Zustimmung klagt. Firma Lietmeyer beantwortete keinerlei Schrei-ben, sondern summierte die strittigen Geldbeträge immer weiter auf, bis es um über 3.000 € ging.
Martin Müller bekam nicht nur Mahnungen, sondern auch eine fristlose Kündigung, die er natürlich nicht beachtete. Was dann passierte, schildert er selbst so: „Am 28. September klingelte es an meiner Tür, und ein riesiger Mann mit breiten Schultern stand da. Er drückte mir einen Zettel mit den Kontaktdaten der Mahnabteilung der Firma Lietmeyer in die Hand und drohte, wenn ich jetzt nicht bezahlen würde, würde er demnächst mit einem Schlüsseldienst wiederkommen und meine Wohnung räumen.“
Martin Müller ließ sich nicht einschüchtern und zahlte nicht. Aber er zog im Oktober aus, als sich ihm kurzfristig die Möglichkeit bot, eine andere Wohnung in der Nähe zu bekommen. „Ich habe nicht mehr darauf vertraut, dass sich Lietmeyer im rechtlich zulässigen Rahmen bewegt“, sagt er.
Ursula und Thomas Fey am Amtsplatz 6. Auch ihr Haus wurde 2017 von der Firma Lietmeyer übernommen, und auch bei ihnen gab es strittige Nebenkosten und eine Mieterhöhung, der sie – nach Beratung durch den Mieterverein – nicht zugestimmt hatten.
Es folgte das gleiche Spiel wie bei Martin Müller. Die Firma Lietmeyer verweigerte sich jeder Klärung der strittigen Sachverhalte und schickte stattdessen Mahnungen mit immer höheren Summen.
Als das Ehepaar am 29. September 2020 aus einem Urlaub zurückkam, fand es seine Wohnungstür versiegelt. „Melden Sie sich unverzüglich beim Forderungsmanagement“ hieß es da unter dem Siegel der Firma Lietmeyer. Peinlich sei das gewesen, sagt Ursula Fey. „Wir wohnten Parterre und alle Nachbarn sahen das. Man kommt nach Hause und alle sprechen einen darauf an.“
Im Januar 2022 zogen auch die Eheleute Fey in ein anderes Haus in der Nachbarschaft. Den unmittelbaren Drangsalierungen sind sie damit ebenso entronnen wie Martin Müller. Der Streit ums Geld aber ist damit nicht erledigt. Auf Zahlung geklagt hat Lietmeyer bisher allerdings nicht.
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