2001 trat die Deutsche Annington (DAIG) erstmals in Erscheinung. Spätestens 2005 wurde sie mit dem Kauf von 140.000 Viterra Wohnungen zu einem Schwergewicht unter den deutschen Wohnungsunternehmen. Aktuell ist die DAIG mit rund 174.000 Wohneinheiten größter Vermieter des Landes. Börsennotiert und auf Wachstumskurs.
Bis Ende dieses Jahres wird der Bestand auf ca. 240.000 Wohneinheiten anwachsen. Das freut die Anleger. Die Mieter hingegen bekommen tagtäglich die Schattenseite zu spüren: wenig Service vor Ort, Mieterhöhungen und intransparente Entscheidungen des Immobilienriesen.
Gegenüber Mietern und Anlegern präsentiert sich die DAIG heute als langfristig agierendes und börsennotiertes Wohnungsunternehmen. In diese Rolle wuchs sie erst in den vergangenen Jahren und, durch die Finanzkrise bedingt, auch nicht ganz freiwillig. Noch ist die englische Beteiligungsgesellschaft Terra Firma Capital Partners Mehrheitsaktionär des seit Sommer 2013 an der Börse notierten Unternehmens. Der Börsengang gelang jedoch erst im zweiten Anlauf.
Im Februar 2014 kündigte das Unternehmen an, weitere 41.000 Wohnungen der Vitus-Gruppe und der DeWAG kaufen zu wollen und dadurch den „Turbo“ einzulegen. Dabei wirken die Folgen einer Umstrukturierung des Konzerns aus 2009 immer noch nach.
Rolle rückwärts
Um Kosten zu senken, startete die DAIG 2009 unter dem Namen Clear Water einen umfassenden Umstrukturierungsprozess. Stellen wurden gestrichen, eine bundesweite zentrale Hotline eingerichtet und lokale Kontaktmöglichkeiten konsequent reduziert. Das Mieterforum berichtete damals ausführlich: entnervende Warteschleifen, Reparaturaufträge, die nicht weitergegeben wurden, und eine intransparente Kommunikation hinterließen zahlreiche frustrierte Mieter. Mittlerweile hat das Unternehmen aus den Fehlern gelernt und 2013 wieder eigene Handwerker und sogenannte Objektbetreuer eingestellt. Letztere werden den Mietern als die lange ersehnten Ansprechpartner vor Ort präsentiert. Bezahlt über die Betriebskosten.
„Die Objektbetreuter erledigen auch sehr viele Verwaltungstätigkeiten, die nicht auf die Mieter umlegbar sind. Aktuell prüfen wir in den Mietervereinen die Betriebskostenabrechnungen für 2013, in denen die Objektbetreuer erstmalig abgerechnet werden. Wir haben erste Anhaltspunkte, dass den Mietern zu hohe Kosten untergeschoben werden sollen. Allen Annington-Mietern empfehlen wir unbedingt eine Überprüfung durch den Mieterverein“, beschreibt Aichard Hoffmann vom Mieterverein Bochum die Problematik.
Modernisierungen …
Im Hinblick auf das Investitionsvolumen für Instandhaltung und Modernisierungen, kommuniziert die DAIG gern ihre vergleichsweise überdurchschnittlichen und zudem gestiegenen Zahlen. Während das Bochumer Unternehmen 2013 knapp 20 Euro/m² für Modernisierung und Instandhaltung angibt, nahm die GAGFAH im Jahr 2011 nur 8,57 Euro/m² in die Hand. Die LEG kam 2013 auf 14 Euro. Die Steigerungen bei der DAIG gehen nach einer Auswertung des Institutes TRAWOS der Hochschule Görlitz/Zwickau für die Jahre 2006 bis 2011 jedoch hauptsächlich auf Modernisierungsinvestitionen zurück. Diese können anders als Instandhaltungen auf die Mieter umgelegt werden.
… und Mieterhöhungen
Insbesondere im Bereich der energetischen Modernisierung investiert die DAIG und stattet zahlreiche Gebäude mit Wärmedämm-Verbundsystemen aus. So stehen beispielsweise Mieterhöhungen von 1,60 bis 1,80 Euro/m² maximale rechnerische Energieersparnisse von 0,30 bis 0,35 Euro/m² gegenüber.
„Die Mieter zahlen bei der energetischen Sanierung drauf. Bei vielen Maßnahmen sind wir der Auffassung, dass die eigentlich vom Vermieter zu tragenden Instandhaltungskosten zu niedrig angesetzt und die Baukosten als Modernisierungsumlage auf die Mieter abgewälzt werden“, so Dr. Tobias Scholz, wohnungspolitischer Sprecher des Mieterverein Dortmund.
Inkasso-Flop
Immer wieder versuchte die DAIG, zusätzliche Umsätze zu generieren oder Einsparpotenziale auszuschöpfen. So übernahm die Deutsche-Wohn-Inkasso, eine hundertprozentige Annington-Tochter, im Sommer 2011 urplötzlich das Eintreiben von Mietrückständen. Ein erträgliches Geschäft: Statt mit 2,50 - 4,00 Euro Mahngebühren schlug das Tochterunternehmen mit durchschnittlich 50 Euro zu. Nach einem verlorenen Rechtsstreit Anfang 2013 liquidierte die DAIG ihr Tochterunternehmen und übergab das Inkassogeschäft an die Anwaltskanzlei JHS-Legal in Berlin. Die unbegründeten und überhöhten Gebühren blieben. Im Februar 2014 gab das Amtsgericht Dortmund auch in diesem Fall einem Mieter Recht, der sich gegen die hohen Gebühren zur Wehr setzte.
Rufen Mieter in der Berliner Kanzlei an, schlägt eine Bandansage zuerst die Möglichkeit vor, wieder mit dem Kundencenter der DAIG verbunden zu werden. Alternativ könne man auch mit einem Mitarbeiter der Kanzlei sprechen. „Dies macht deutlich, dass die Beauftragung von JHS-Legal nur der Einschüchterung der Mieter und dem Erlös unberechtigter Inkasso-Gebühren dient“, kommentiert Dr. Tobias Scholz.
Viele Mieter ärgern sich zudem über unberechtigte Mahnschreiben. Ein typischer Fall ist eine fehlerhafte Betriebskostenabrechnung mit Nachzahlungsbetrag, gegen die Widerspruch eingelegt wurde. Dennoch flattern zahlreichen Mietern unberechtigte Mahnungen mit hohen Gebührenaufschlägen ins Haus.
Härtere Gangart
Brigitte Dieckmann engagiert sich seit Jahrzehnten im Mieterbeirat Luisenplatz in Dortmund-Mengede und kennt die Komponistensiedlung wie ihre Westen-tasche. Früher, als die Gebäude noch der Viterra gehörten, gab es auch Probleme. Mit Mieterhöhungen, Sanierungen und Reparaturarbeiten. „Aber damals konnten wir uns mit dem Vermieter noch an einen Tisch setzen. Jede Seite ist der anderen ein Stück weit entgegengekommen. Das hat sich geändert. Die Gangart der Annington ist spürbar härter geworden.“ In Mengede habe die DAIG kurzerhand Wohnungen neu und zum Nachteil der Mieter in den Mietspiegel eingeordnet. „Da habe ich gefragt, wie sowas nach 30 Jahren sein kann“, sagt Brigitte Dieckmann. „Sie hätten vorher die Akten nicht gekannt, war deren Antwort. Die versuchen wirklich, mit allen Mitteln mehr Geld zu verdienen.“
Inzwischen haben sich bundesweit Mietervereine und -initiativen im Aktionsbündnis Deutsche Annington zusammengeschlossen, um gemeinsam für bessere Zustände zu kämpfen: für faire Mieten, für dringend nötige Sanierungen, für eine Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Mieter und Vermieter. Und auch auf Facebook schlossen sich Kritiker in der Gruppe „Mieter contra Annington“ zusammen. Das ersetzt zwar keinesfalls die Unterstützung durch die Mietervereine, ergänzt aber deren Arbeit und hilft dabei dem Börsenriesen seine Grenzen aufzuzeigen.
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