Jetzt hilft nur noch der Bürgerhaushalt - Die Wittener Bürgerinitiative „Rettet das Stadtbad“ dachte, es sei eine gute Idee. Nachdem ein Bürgerbegehren trotz Massenzuspruch vom Rat für unzulässig erklärt worden war, schlug sie vor, über Folgen und Alternativen der Schließung noch einmal an runden Tischen zu diskutieren. Aber denkste. Die rot-grüne Ratsmehrheit stellte sich auf den Standpunkt „beschlossen ist beschlossen“ und widmete den Bürgerantrag kurzer Hand um: Jetzt soll - Einzelheiten unklar - ganz allgemein über Perspektiven angesichts der immer enger werdenden finanziellen Spielräume an einem „Runden Tisch“ debattiert werden. Laberrunden statt konkrete Lösungssuche. Damit liegt Witten voll im Trend.
Ein neues Schlagwort macht die Runde: „Bürgerhaushalt“. Erfunden wurde das Original im Jahre 1988 in der süd-brasilianische Metropole Porto Alegre. Nach dem Wahlsieg eines Linksbündnisses bei der Bürgermeisterwahl sollte das „Partizipative Budget“ die rechte Ratsmehrheit ausboten. Aller Skepsis zum Trotz wurde der Beteiligungshaushalt dann ein Renner. Tausende von Menschen diskutieren jährlich mit, wo die Prioritäten bei den Kommunalausgaben gesetzt werden sollen. Unter brasilianischen Verhältnissen hat das dazu geführt, dass die Vetternwirtschaft zurückgedrängt, dass viel mehr für die Armen ausgegeben wird.
Längst ist der Bürgerhaushalt ein Exportschlager. In Deutschland hat sich vor allem die Bertelsmann-Stiftung der Sache angenommen. In einigen NRW-Kommunen wurden Broschüren erstellt, die über die komplizierte Materie aufklären. Auch Fragebögen werden schon mal verschickt. Mit der Massenbeteiligung in Brasilien hat das noch wenig zu tun. Die wird in Deutschland auch kaum möglich sein. Für die Kommunalfinanzen gibt es zahlreiche komplizierte Regelungen, in Defizithaushalten gibt es kaum noch Entscheidungsspielräume, der Haushaltsplan ist ohnehin nur ein - sehr ungenauer - Ausguss von Entscheidungen, die im Vorfeld getroffen wurden, oder er ist nur Makulatur.
Nicht ein neues Marketing für die maroden Sparhaushalte brauchen wir, sondern eine schnelle Gemeindefinanz-reform, bei der die Vermögenden und Profiteure wieder mehr zu Kasse gebeten werden. Dann allerdings ist mehr Transparenz und Demokratie bei allen Entscheidungen eine wichtige Bedingung für eine kostenbewusste und nachhaltige Kommunalpolitik.
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