Wer heute kein Englisch kann, steht zumindest in der Werbewelt auf verlorenem Posten. Dauernd gibt‘s neue Begriffe in der Modesprache. Was eine flatrate ist, weiß aber inzwischen wohl jeder, der das Internet oder ein Mobiltelefon nutzt: Surfen oder telefonieren so lange man will zum Festpreis. Doch kaum haben wir das gelernt, überrascht uns die Essener GAGFAH mit der "flatrent".
Als Claudia Podjaski aus Bochum-Ehrenfeld am 8. Mai ihren Briefkasten leerte, staunte sie nicht schlecht. Ihre Vermieterin GAGFAH, mit 180.000 Wohnungen das zweitgrößte deutsche Wohnungsunternehmen, schickte ihr ein erstaunliches Angebot: die "flatrent". Wenn sie einer Mieterhöhung um nur 10 € kurzfristig zum 1. Juni zustimmen würde, würde sich die GAGFAH im Gegenzug verpflichten, für zwei volle Jahre auf weitere Mieterhöhungen nach § 558 BGB zu verzichten.
Natürlich beschränkte sich dieser Verzicht auf "normale" Mieterhöhungen, also solche auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Sollte es zu einer Modernisierung kommen, wären natürlich weitere Mieterhöhungen möglich. Doch damit würde sie gut fahren, weil die allgemeine Preisentwicklung - veranschaulicht durch eine Grafik - weitere Mietsteigerungen erwarten lasse. Sollte sie ablehnen, hätte das keinerlei Konsequenzen - außer zu gegebener Zeit eine Mieterhöhung nach § 558 BGB.
Nun bedeutet "flatrent" wörtlich übersetzt "Flachmiete". Die Ähnlichkeit zur flatrate ist sicherlich gewollt. Man soll den Eindruck bekommen, durch eine Pauschale mächtig Geld zu sparen. Allerdings sind die Parallelen begrenzt. Während man bei Telefon und Internet normalerweise nach Dauer der Benutzung zahlt, ist mit der Miete ohnehin ein Dauernutzungsrecht der Wohnung abgegolten - 24 Stunden am Tag, 30 Tage im Monat, 12 Monate im Jahr.
Falls "flat" nicht ein Hauptwort ist - dann bedeutet es nämlich einfach "Wohnung" - soll es wohl so etwas wie "niedrig" bedeuten. Die "flatrent" als besonders niedrige Miete. Aber wie passt das dazu, dass die Miete erst mal steigen soll? Das GAGFAH-Schreiben erweckt den Eindruck, als würde die Miete ohne "flatrent" im Laufe der zwei Jahre Laufzeit deutlich stärker steigen.
Claudia Podjaski ist eine vorsichtige Frau. Bevor sie das "günstige" Angebot unterschrieb, ging sie zum Mieterverein. Rechtsberater Rainer Klatt staunte nicht schlecht - von einer "flatrent" hatte er noch nie gehört. Aber natürlich überprüfte er als erstes die GAGFAH-Behauptung, Frau Podjaskis Miete läge derzeit im Bereich des Mittelwertes des Mietspiegels.
Und staunte gleich noch einmal: Die Kaltmite von 348,60 € liegt bereits jetzt um 42,12 € über dem, was der nagelneue Mietspiegel erlaubt. Das ist immerhin eine Überschreitung von 12 Prozent. Das ist zwar nicht ungesetzlich, wenn es der Mieter unterschrieben hat, aber: Eine Mieterhöhung nach § 558, auf die die GAGFAH so großzügig verzichten wollte, ist sowieso für viele Jahre ausgeschlossen. So lange nämlich, bis die Mietspiegelwert für diese Wohnung in irgendeinem künftigen Mietspiegel um mehr als 12 Prozent höher liegt als im heutigen. Und das wird sicher nicht der Mietspiegel 2010 sein.
"Früher gab es mal eine ZDF-Serie mit Eduard Zimmermann unter dem Titel: Nepper, Schlepper, Bauernfänger", schmunzelt Rainer Klatt gegenüber MieterForum. "Die muss die GAGFAH-Geschäftsleitung auch gesehen haben." Natürlich lehnte der Mieterverein das großzügige Angebot im Auftrag des Mitglieds postwendend ab.
TIPP:
Der Fall hat einen gewaltigen Medienrummel erzeugt. Inzwischen hat die GAGFAH zugegeben, die "flatrent" bundesweit anzubieten. Das tut sie allerdings nicht überall - zum Beispiel nicht in Köln, wo die Mieten ohnehin steigen.
10 € mehr ist aber auch keineswegs so wenig, wie es scheint. Bezogen auf Claudia Podjaskis jetzige Miete ist das immerhin eine Erhöhung von 3 % - und zwar sofort. Der Mietspiegel in Bochum kann hingegen frühestens zum 1. April 2010 wieder steigen. Und auch das steht nicht fest: 2006 und 2008 sind die Mietspiegelwerte in Teilbereichen sogar gesunken!
Die "flatrent lohnt sich daher nur, wenn die konkrete Miete, die jetzt gezahlt wird, um mehr als 10 Prozent unter dem Mietspiegel liegt - oder wenn der Mietspiegel nur noch eine kurze Restlaufuzeit hat und mit dem nächsten deutliche Preissteigerungen zu erwarten sind.
Bevor Sie ein solches Angebot unterschreiben, sollten Sie also auf jeden Fall ihre jetzige Miete anhand des Mietspiegels überprüfen! Wenn Sie damit allein überfordert sind: Suchen Sie die Rechtsberatung auf!
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