„Unsere Wohnungsmieter können in ihren Wohnungen, sofern sie ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen, alt werden“. Mit dieser Aussage beschreibt die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Hombruch-Barop eG (GWG) ihr Prinzip des genossenschaftlichen Wohnens. Auf diese Wohnsicherheit bei Wohnungsgenossenschaften verließ sich auch der heute 84-jährige Dieter Berse, als er 1977 mit seiner Familie in das 1902 erbaute Haus in der Vereinsstraße 21 einzog.
Doch im Juli 2013 kam der Schock. Die GWG Hombruch-Barop informierte darüber, das Haus sowie die benachbarten Wohngebäude Am Kohlrücken 11 bis 15 und Vereinsstraße 23 abreißen zu wollen. Ab 2015 soll an dieser Stelle neuer moderner Wohnraum entstehen.
Für Dieter Berse kommt ein Auszug aus der Wohnung und seinem vertrauten Wohnumfeld, in dem er sich trotz krankheitsbedingter Einschränkungen sehr gut zurechtfindet, nicht in Frage. Berses Sohn zog sogar gemeinsam mit seiner Familie gezielt in eine Eigentumswohnung gegenüber, um in der Nähe seiner Eltern wohnen zu können. Auch finanziell wäre der Auszug für Dieter Berse eine Katas-trophe: Knapp 25.000 Euro hat er über die Jahre hinweg in die Renovierung seiner vier Wände investiert. Immer mit Zustimmung der Vermieterin, die die Wohnung für eine günstige Miete anbot und im Gegenzug nicht in die Wohnung investieren musste. Unter anderem vereinigte Berse zwei kleine Wohnungen zu einer großen, baute einen Balkon an und sanierte die Badezimmer.
Dem von der GWG vorgelegten Aufhebungsvertrag wollte er daher nicht zustimmen. Eine richtige Entscheidung, wie Rechtsanwalt Daniel Holl, zuständiger Rechtsberater beim Mieterverein Dortmund, bestätigt: „Die Mieter sollten Verträge unterschreiben, ohne verbindlich eine konkrete Ersatzwohnung zu einem bestimmten Mietpreis zugesichert von der GWG bekommen zu haben. Auch Entschädigungen für die erheblichen Eigenleistungen wurden nicht angeboten.“
Den Druck erhöht
Im Februar 2014 erhöhte die GWG den Druck und kündigte Berse die Wohnung wegen „mangelnder wirtschaftlicher Verwertung“ nach § 572 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Doch der Senior wies über den Mieterverein Dortmund die Kündigung als unberechtigt zurück und machte seine krankheitsbedingten Härtegründe geltend. Dies jedoch interessierte die Wohnungsgenossenschaft nicht. Zwei Monate später, im April 2014, reichte die GWG die Räumungsklage gegen das Genossenschaftsmitglied Berse beim Amtsgericht Dortmund ein.
Haus angeblich nicht zu retten
In ihrer Klageschrift behauptet die von der GWG Hombruch-Barop beauftragte Anwaltskanzlei, dass bei den abzureißenden Häusern keine Bodenplatte vorhanden und die Wärmedämmung unzureichend sei. Und weiterhin: „Des Weiteren ist keine Barrierefreiheit gegeben, und es fehlen Balkone, was ebenfalls nicht zeitgemäß ist. […] Aufgrund dieses nicht mehr zeitgemäßen Zustandes der Häuser ist eine angemessene Bewirtschaftung nur durch einen Abriss der vorhandenen Bebauung und die Ersetzung durch einen Neubau möglich.“
Dr. Tobias Scholz, wohnungspolitischer Sprecher des Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. sieht diese Argumente kritisch: „Wärmedämmung und Balkone sind nachrüstbar. Bei bestehenden Wohnungen lassen sich Barrieren zumindest reduzieren. Die Argumentation der Vermieterin ist daher haarsträubend. Wie würden unsere Städte heute aussehen, wenn Altbauten gar nicht sanierbar wären?“, kommentiert er die Klagebegründung der GWG Hombruch-Barop.
In einem von Dieter Berse in Auftrag gegebenen Gebäude-Gutachten aus dem Oktober 2013 werden keinerlei Mängel an dem Haus in der Vereinsstraße 21 festgestellt, die einen Abriss erforderlich machen würden. Auch eine belastbare Vergleichsberechnung, warum ein Neubau wirtschaftlicher wäre, hat die Genossenschaft bisher nicht vorgelegt. „Auf die höhere Miete bei einem Neubau, im Vergleich zu einem über 100 Jahre alten Haus abzuzielen, ist eine schwache Argumentation. Unverständlich ist auch, warum das freistehende Gebäude Vereinsstraße 21 zwingend für die Ersatzbauten am Kohlrücken abgerissen werden soll“, sagte Rechtsanwalt Daniel Holl.
Härtegründe
Für den Mieterverein Dortmund ist die Kündigung wegen angeblicher mangelnder wirtschaftlicher Verwertung unberechtigt. Zudem liegen schwerwiegende Härtegründe auf Seiten Berses vor, die einer Räumung entgegenstehen. Daher gibt es eine klare Erwartung an die Vermieterin. „Die GWG Hombruch-Barop muss die Kündigung und die Räumungsklage unverzüglich zurücknehmen, damit Dieter Berse in seiner vertrauten Umgebung bleiben kann. Alte, kranke Mieter dürfen nicht derart unter Druck gesetzt werden. Erst Recht nicht von einem genossenschaftlich organisierten Unternehmen“, so die Forderung von Mietervereinssprecher Dr. Tobias Scholz.
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