Das „Mieterbündnis-Ruhr – Aktionsbündnis der Viterra-Mieter“ hat in einem offenen Brief an E.on Forderungen zu notwendigen sozialen Bedingungen beim Komplettverkauf der Viterra AG aufgestellt.
Durch Regelungen im Kaufvertrag, durch Ergänzungen zu den Mietverträgen und durch Vereinbarungen mit dem Land sollen die Mieterrechte verbindlich geschützt, eine Zerschlagung des Unternehmens verhindert und der Erhalt der Wohnquartiere gesichert werden.
Mieterbündnis Ruhr ist ein Zusammenschluss von Mieterinitiativen und Mietervereinen im Ruhrgebiet.
Mieterbündnis Ruhr
Aktionsbündnis der Viterra Mieter
Vorstand und Aufsichtsrat der
E.on AG
Herrn Dr. Hans Michael Gaul
Herrn Ulrich Hartmann
Herrn Hubertus Schmoldt
E.ON-Platz 1
D-40479 Düsseldorf
Fax. 0211 - 45 79 - 5 01
Dortmund , Gelsenkirchen und Witten
10.02.05
OFFENER BRIEF
Soziale Bindungen beim Viterra-Verkauf
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 8.Februar hatten VertreterInnen unseres Aktionsbündnisses ein Gespräch mit Herrn Dr. Gaul, Herrn Dr Leichnitz und Herrn Dr. Hermes. Dabei wurden leider keinerlei Fortschritte hinsichtlich rechtlicher Garantien im Zuge des Viterra-Verkaufs erzielt. Bislang beabsichtigt E.on nicht, Bestimmungen in den Kaufvertrag aufzunehmen, die über bestehende gesetzliche und vertragliche Verpflichtungen hinaus gehen. Auch für die Einhaltung der sogenannten Selbstverpflichtungen der Viterra bei Einzelprivatisierung gibt es keine Garantien.
Diese Haltung können wir nicht akzeptieren.
Das Wohnungsvermögen der Viterra AG wurde in vielen Jahrzehnten durch öffentliche Zuschüsse, die Zuschüsse der belegungsberechtigten Werke, durch Mietzahlungen und durch Eigenaktivitäten der Mieter geschaffen. Daraus erwächst eine soziale Verantwortung, der Sie sich nicht unter Hinweis auf beabsichtigte Rendite-Steigerungen entziehen können. Wohnungen sind ein Sozialgut, das sich für die hemmungslose Verwertung nicht eignet. Es ist uns unverständlich, warum Sie sich nicht wenigstens an die beim Gagfah-Verkauf erreichten Mindeststandards orientieren.
Wird die Viterra ohne soziale Bedingungen an einen Finanzinvestor veräußert, müssen wir früher oder später befürchten:
1.die Weiterführung oder Verstärkung der beispiellosen Einzelprivatisierung.
Hierbei kommt es zu Verdrängungen von MieterInnen aus ihren Wohnungen. Die gesetzlichen Bestimmungen schützen die Mieter unzureichend, vor allem im Falle des Verkaufs von einzelnen Häusern. Außerdem ist nur ein Teil der Mieter in der Lage, seine Rechte offensiv wahr zu nehmen. Nach Blockverkäufen der Viterra nutzen Zwischenverwerter die Verunsicherung der Mieter, um diese zu Käufen oder zum Auszug zu drängen. Die Privatisierung führt auch zu zahlreichen Konflikten in den Nachbarschaften. „Mieter-Mobbing“ zerstört gewachsene nachbarschaftliche Beziehungen. Durch die weitere Zerlegung bislang geschlossener Wohnungsbestände werden Maßnahmen der Stadtteilentwicklung und des Stadtumbaus erschwert.
2.die Zerschlagung der Viterra als Unternehmen
Dabei könnten profitable Bestände von unprofitablen getrennt werden, mit der Folge, dass für Investitionen in die benachteiligten Quartiere die erforderlichen Kapitalmittel fehlen und die betroffenen Wohngebiete noch mehr in eine soziale Abwärtsspirale geraten. Außerdem geraten die Belange der Belegschaftsangehörigen in Gefahr.
3.die Abwälzung ökonomischer Risiken des industriellen und demographischen Wandels auf überforderte Käufer und die öffentliche Hand.
4.die generelle Schwächung der Kapazitäten des Wohnungsmarktes für eine bedarfsgerechte Wohnraumversorgung.
Es ist eine Tatsache, dass Deutschland eine der niedrigsten Wohnungslosenraten der Welt aufweist und soziale Segregation schwächer ausgeprägt ist als in anderen Ländern. Eine der Ursachen ist offensichtlich der hohe Anteil an Mietwohnungen, der die Chancen für Zugänge zu den Wohnungsmärkten für Menschen mit niedrigen Einkommen erhöht.
Wir fordern Sie daher dringend auf, Ihre Position zu überdenken und
Ïsoziale Bedingungen – Stichworte zu unseren Zielen siehe Anlage -in die Kaufverträge aufzunehmen,
Ïdie Mieter vor dem Verkauf umfassend durch mietrechtliche Vereinbarungen zu schützen, dies gilt auch für die Neuvermietung,
Ïmit der Landesregierung und Kommunen Vereinbarungen zur langfristigen Sicherung in die Standorte zu treffen.
So lange Sie die entsprechenden Garantien nicht verbindlich zusichern oder in ernsthafte Verhandlungen darüber eintreten, werden wir Öffentlichkeit, Politik und MieterInnen umfassend über die unsoziale und gegen die Interessen des Landes gerichtete Unternehmenspolitik von E.on informieren.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Helmut Lierhaus, Mieterverein Dortmund, Tel. 0231-55765636
Knut Unger, MieterInneverein Witten, Tel. 02302-276171
Traudel Tomshöver, BI Flöz Dickebank, Tel. 0209-21525
Susanne Boymanns, BI „Wohnen in Hassel“, Tel. 0209-639294
// Viterra AG Vorstand und Aufsichtsrat; Landesregierung und Landtag NRW; Mieterorganisationen; Gewerkschaften; Stadtverwaltungen; Presse und Öffentlichkeit
ANLAGE
ZIELVORSTELLUNGE ZU BEDINGUNGEN DES VITERRA-VERKAUFS
Durch verbindliche und sanktionsbewehrte Bestimmungen im Kaufvertrag ist folgendes sicher zu stellen:
1.ERHALT DES UNTERNEHMENS
Die Viterra ist als Unternehmen dauerhaft zu erhalten und darf nicht zerschlagen wird. Eine entsprechende Regelung analog der Gagfah (mehrjähriger Ausschluss einer Aufteilung des Unternehmens) ist denkbar.
2.MIETERSCHUTZ BEIM EINZELVERKAUF VON WOHNUNGEN UND HÄUSERN
- Alle belegungsberechtigten Mieter in (ehemals) belegungsgebundenen Wohnungen erhalten Zusätze zum Mietvertrag, die Kündigungen wegen Eigenbedarf und nicht angemessener wirtschaftlicher Verwertung ausschließen.
- Einen solchen Zusatz zum Mietvertrag erhalten ebenso alle übrigen Mieter/innen, die mindestens 65 Jahre alt sind oder sich aus anderen Gründen auf die Sozialklausel berufen könnten.
- Für die übrigen Mieter werden Kündigungen wegen Eigenbedarf oder nicht angemessener wirtschaftlicher Verwertung für einen Zeitraum von zehn Jahren nach erstmaligem Verkauf der Wohnung oder des einzelnen Hauses mietvertraglich ausgeschlossen.
- Alle Mieter erhalten entsprechende Vertragsformulare, bzw. Aufforderungen zur Mitteilung der Härtegründe unaufgefordert zugesandt, unabhängig davon, ob ein Einzelverkauf unmittelbar bevorsteht oder nicht.
- Die Nutzung individueller Mietergärten, Garagen und anderer Nebenräume wird durch Zusätze zu den Mietverträgen gesichert.
- Wird ein Einzelverkauf von belegten Wohnungen beabsichtigt, erfolgt dieser ausschließlich an bisherige Mieter/innen, die die jeweilige Wohnung belegen. Wollen diese nicht kaufen, erfolgt kein Verkauf.
3.BLOCKVERKÄUFE WERDEN AUSGESCHLOSSEN, ES SEI DENN
der Käufer ist eine Gemeinschaft der bisherigen Mieter, i. Bes. eine Mietergenossenschaft,
der Käufer ist ein Wohnungsunternehmen, das sich zur Gemeinnützigkeit bekennt, die o.g. Mieterschutzregelungen übernimmt und dauerhafte soziale Bindungen eingeht.
4.ENGAGEMENT FÜR DIE STANDORTE IM RUHRGEBIET
Es wird ein Mindest-Volumen für Investitionen in Instandsetzungen, mieterverträgliche Modernisierungen,
Wohnumfeldmaßnahmen und bedarfsgerechte Umbauten vereinbart, bei dem die Standorte im Ruhrgbeiet besondere Berücksichtigung finden. Es werden allgemeine Grundsätze zu Prioritäten und Verfahren bei der Aufstellung von Investitionsprogrammen vereinbart, die u.a. eine frühzeitige Beteiligung der MieterInnen und eine Zusammenarbeit mit den Kommunen vorsehen.
5.SCHUTZ VON SOZIALEN UND STÄDTEBAULICHEN QUARTIERS-QUALITÄTEN
Es wird vereinbart, dass für größere zusammenhängende Bestände in Zusammenarbeit mit den Kommunen und unter Beteiligung der MieterInnen Quartiersentwicklungspläne erarbeitet werden. Diese Quartiersentwicklungspläne sollen mindestens beinhalten:
ÏInvestitionsprogramme
ÏSicherung von Freiraum (Grünflächen, Gärten) und öffentlichen Räumen
ÏFestlegung von Gestaltungsgrundsätzen für die Gebäude und das Umfeld
ÏZiele der Entwicklung der Wohnungsbestände und der Bestandsverwaltung
6. KÄUFERSCHUTZ
Alle obengenannten Bestimmungen gehen auf nachfolgende Käufer über. Darauf werden die Käufer nachdrücklich hingewiesen. Es wird Einzel- Käufern ein befristetes Rücktrittsrecht eingeräumt.
Diese Bestimmungen werden zusätzlich durch Vereinbarungen mit dem Land NRW gesichert.
Mit der Umsetzung der Bestimmungen zu 2 wird unmittelbar noch vor dem Verkauf der Viterra begonnen.
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