Änderungen für Mieterinnen und Mieter bei AlG II und Sozialhilfe - Die Bundesregierung hat beschlossen, die bisherigen Regelungen zum Arbeitslosengeld II (Hartz IV) in wesentlichen Bereichen zu ändern und einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Dieser liegt derzeit dem Bundesrat vor.
Anlass für die Änderungen war das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) zur Regelleistung. Demnach war die bisherige Regelleistung willkürlich in nicht nachvollziehbarer Weise für Erwachsene und insbesondere auch für Kinder kalkuliert worden. Dieses muss der Gesetzgeber nun nachbessern. Ob dieses gelingt, ist sehr fraglich. Die Regelleistung soll für Erwachsene um 5 € erhöht werden, für Kinder und Jugendliche wird es keine Erhöhung geben. Es zeichnet sich ab, dass der Auftrag des BVerfG nicht erfüllt wird. Insbesondere bei den unvermeidbaren Stromkosten und Warmwasserkosten hat sich im Ergebnis wenig geändert.
Auch bei den Kosten der Unterkunft (KdU) sind Änderungen geplant.
Drei wesentliche Neuerungen sind:
Festlegung der Angemessenheitswerte durch Kreise und kreisfreie Städte
Geplant ist, dass Kreise und kreisfreie Städte durch die Länder ermächtigt oder verpflichtet werden, die Angemessenheitsgrenzen für KdU (Miete oder Kosten für Eigenheim/Eigentumswohnung) durch Satzung festzulegen. Die dafür geltenden Kriterien sollen jeweils nach den örtlichen Verhältnissen bestimmt werden.
Bisherige Rechtslage:
Bisher waren die Kommunen gehalten, Grenzwerte für angemessene Mieten zu ermitteln. Hinsichtlich der Rechenfaktoren für den Gesamtbetrag musste auf einen Mietwert im unteren Segment des Wohnungsmarktes abgestellt werden, hinsichtlich der Flächenwerte waren die Flächengrenzwerte der jeweiligen Förderrichtlinien eines Landes maßgeblich. In Nordrhein-Westfalen war es umstritten, ob für eine Person 45 m2, 47 m2 oder (richtigerweise) 50 m2, plus jeweils 15 m2 für jede weitere Person des Haushaltes, in Ansatz zu bringen seien. Üblicherweise wurden diese Werte in Verwaltungsrichtlinien festgehalten.
Bewertung:
Inhaltlich klingt die Neuregelung zunächst harmlos, auf die örtlichen Verhältnisse abzustellen, ist ja nicht falsch. Für die Kalkulation angemessener Mietwerte sieht die Neuregelung vor, dass der Rechenfaktor „Flächenwert“ anhand des tatsächlich vorhandenen Wohnungsmarktes vor Ort zu bestimmen sein wird. Für Einpersonenhaushalte gefährlich, denn in der Gesetzesbegründung wird bereits die Erwartung geäußert, dass in Ballungsräumen derartige Werte sehr viel geringer ausfallen werden als im ländlichen Bereich. Vor dem Hintergrund, dass in den vergangenen Jahrzehnten Kleinwohnungen zunehmend vom Markt verschwanden und die verbleibenden einer großen Nachfrage ausgesetzt sind, werden zu niedrige Grenzwerte provoziert.
Mit der Festlegung dieser Werte als Satzung, wird der Zweck verfolgt, die Anzahl der Widerspruchsverfahren und Sozialgerichtsklagen gegen die Bestimmung von Angemessenheitswerten zu verringern. Ob dieses gelingen wird, ist sehr fraglich. Jeder Betroffene kann gegen einen entsprechenden Bescheid nach wie vor klagen. Ob seitens des im Einzelfall tätigen Sozialgerichtes nunmehr eine Verwaltungsrichtlinie oder eine Satzung geprüft werden muss, unterscheidet sich im Ergebnis nicht. Zusätzlich wird ein eigenes Rechtsmittel geschaffen, um auch unabhängig vom Einzelfall die per Satzung festgesetzten Werte überprüfen zu können. Jeder konkret Betroffene, aber auch Menschen, welche erst zukünftig ALG II erhalten werden, sind berechtigt, den Inhalt der Satzung durch das Landessozialgericht überprüfen zu lassen.
Kosten der Unterkunft und Heizungskosten dürfen
pauschaliert werden
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Länder den Kreisen und kreisfreien Städten erlauben dürfen, KdU sowie Heizkosten zu pauschalieren. Gemeint ist damit, dass Beträge festgelegt werden, die unabhängig von der Kostenbelastung im Einzelfall standardisiert ausgezahlt werden. Der Hilfebedürftige muss mit diesen Beträgen auskommen. Zahlt er tatsächlich eine geringere Miete, kann er den Differenzbetrag zur höheren Pauschale behalten, fällt die Miete höher aus, steht ihm über den pauschalen Wert hinaus kein weiterer Anspruch zu.
Die Pauschalierung ist allerdings an enge Voraussetzungen geknüpft. So muss auf dem örtlichen Wohnungsmarkt ausreichend angemessener freier Wohnraum verfügbar sein, die Pauschale darf auch im Einzelfall nicht unzumutbar sein.
Bisherige Rechtslage:
Nach der bisherigen Rechtslage war eine abgeltende Pauschalierung von Mietkosten, insbesondere auch von Heizkosten, rechtlich nicht möglich. Die trotzdem vorgenommenen Pauschalierungen zahlreicher Kommunen waren rechtswidrig. Miet-, Betriebs- und Heizkosten waren daher immer in tatsächlicher Höhe zu zahlen, konnten im Einzelfall dann auf ein angemessenes Maß gekappt werden, wenn zuvor der Mieter die realistische Chance hatte, die Kosten – ggf. durch Umzug – zu senken.
Bewertung:
Es ist sehr fraglich, ob mit dieser Neuregelung Pauschalierungen möglich sein werden. Die Anforderungen durch das Bundesverfassungsgerichts stellen die Kommunen vor einen extrem hohen Ermittlungsaufwand. Eine Voraussetzung ist, dass eine abgeltende Pauschale nur für eine Vielzahl zu kombinierender Kostenfaktoren möglich ist, die sich unter Umständen gegenseitig ausgleichen können. Genau das ist bei Mieten und auch bei Heizkosten nicht der Fall. Dabei handelt es sich jeweils um Stückkosten. Nur in wenigen Fällen wird es möglich sein, eine hohe Grundmiete durch entsprechend niedrige Betriebskosten und auch verhältnismäßig niedrige Heizkosten kompensieren zu können.
Ist die Pauschale korrekt und ausreichend hoch festgesetzt, führt dies zu erheblichen Mehrzahlungen einer Kommune für diejenigen Hilfebedürftigen, die bislang eine zum Teil wesentlich niedrigere Miete zahlen zu brauchten. Ist die Pauschale zu niedrig angesetzt, wird die Zahl der Widerspruchs- und Sozialgerichtsverfahren dramatisch in die Höhe getrieben. Eingespart wird dabei nichts, da die Durchführung derartiger Verfahren wesentlich teurer sein wird als der Streit um im Ergebnis verhältnismäßig geringe Beträge gekappter Miete.
Das Überprüfungsrecht für
Betroffene (§ 44 SGB X) wird zeitlich eingeschränkt
Die Bundesregierung plant eine gravierende Änderung im Verfahrensrecht. Bislang galt, dass auch rechtskräftige (ablehnende) Bescheide vier Jahre lang auf Antrag erneut im Widerspruchsverfahren und vor Gericht geprüft wurden konnten (Antrag nach § 44 SGB X). Dieses Überprüfungsrecht wird jetzt auf ein Jahr beschränkt.
Bewertung:
Im Jahre 2005 haben fast alle ARGEn in Deutschland die Zahlung von Renovierungskosten abgelehnt. Erst im Jahr 2008 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass dies rechtswidrig war und Renovierungskos-ten gesetzlich vorgesehen sind. Wer renovieren musste, auf seinen Kosten sitzen blieb oder sich das Geld zusammengeliehen hatte, konnte bislang noch vier Jahre lang einen Überprüfungsantrag stellen und bekam sein Recht. In vielen Fällen braucht das Bundessozialgericht vier Jahre, bis es nach den vorherigen Instanzen entscheiden kann.
In Zukunft bleibt nur die Möglichkeit, im Zweifel immer und sofort Widerspruch einzulegen, gegen einen ablehnenden Widerspruchsbescheid zu klagen. Das führt entweder zu einer weiteren Klagewelle oder zu Spekulationen seitens rechtswidrig handelnder Träger, die darauf hoffen, dass nur wenige Kunden klagen. Dies verleitet zum gezielten Rechtsbruch zu Gunsten der Gemeindefinanzen. (hg)
Kontakt | Sitemap | Datenschutz | Impressum