Wohnkostenregelung für Sozialhilfeempfänger wird auf alle Arbeitslosen übertragen. - Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat uns mit Schreiben vom 15. Juni mitgeteilt, dass es keinen Bedarf sieht, „von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung zu den angemessenen Kosten und der Unterkunft und Heizung gem. § 27 SGB II Gebrauch zu machen“. Mieterforum Ruhr befürchtet: „Damit wird es in den Kommunen zu einem Hauen und Stechen über die Frage kommen, wie viele Arbeitslose man zu Umzügen in billigere Wohnungen zwingen will und ob es diese Wohnungen überhaupt gibt. Die sich angeblich abzeichnende Einigung zwischen Städtetag und Clement ist eine Rechnung ohne die Betroffenen.“
Mieterforum Ruhr hatte Minister Clement auf die drohende Verdrängung arbeitsloser Mieter durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe hingewiesen und neben einem kompletten Kostenersatz für die Kommunen Schutzbestimmungen für die Wohnraumversorgung der ALG II-BezieherInnen gefordert. Das Ministerium weist in seinem Antwortschreiben alle Kritikpunkte und Befürchtungen zurück. Die „Angemessenheit“ der Unterkunftskosten nach dem neuen SGB II orientiere sich an der bisherigen Praxis der Kommunen bei der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten für Sozialhilfeempfänger gem. BSHG. Angemessen seien Wohnungen, deren Größe sich an den Bestimmungen des Wohnungsbindungsgesetzes „orientieren“ (z.B. 45 q, für einen 1-Personen-Haushalt) und deren Mieten im unteren Bereich der Mietspiegel lägen. Auch durch Ausdehnung der Bestimmungen auf die Arbeitslosen komme es nicht zu Verdrängungen, da die Arbeitslosen ihre Wohnkosten bereits dem niedrigen Einkommen angepasst hätten. Außerdem seien Einzelfallregelungen möglich. Es komme auch nicht zu einer Konzentration von LeistungsbezieherInnen in bestimmten Wohngebieten, da billiger Wohnraum in Sozialwohnungen und reichen Stadtvierteln gestreut vorkomme.
„Diese Aussagen gehen an der Realität völlig vorbei“, kommentiert Knut Unger vom Mieterforum Ruhr. „Erstens sind bereits zahlreiche SozialhilfeempfängerInnen durch kommunale Maßnahmen aus ihren bisherigen Wohnungen verdrängt worden. Die Rechtsprechung zum BSHG hat sich zum Nachteil der MieterInnen entwickelt. LeistungsbezieherInnen müssen mit Wohnraum am unteren Rande der Skala vorlieb nehmen, wenn das Sozialamt das verlangt. Es gibt zahlreiche unterschiedliche kommunale Regelungen. Manchmal liegen die maximalen Wohnflächen unterhalb der Regelungen des WoBindG und die Höchstmieten erlauben manchmal nicht mal die Anmietung einer Sozialwohnung. Im Grunde können die Kommunen ziemlich willkürlich bestimmen, welche Standards sie den Sozialhilfeempfängern zumuten wollen oder - angesichts ihrer Haushaltslage – müssen. Mit Mühe wurden in einigen Städten Reglungen gefunden, die gerade noch hinnehmbar sind. Jeder weiß, dass wir bereits heute ein massives Problem mit der Konzentration von Sozialhilfeempfängern in bestimmten Sozialbausiedlungen haben. Es ist unbegreiflich, wie das Sozialministerium das ignorieren kann.“
Wenn die bisherigen kommunalen BSHG-Regelung auf die bisherigen Arbeitslosenhilfeempfänger übertragen werden, bedeute das, dass auf einen Schlag eine riesige Gruppe – oft 100 % der bisherigen Betroffenen – in die Amtswillkür der verarmten Sozialämter überführt werde. Ein großer Teil der Arbeitslosenhilfeempfänger bewohne Wohnungen, die zwar sicher nicht luxuriös seien, deren Mieten aber sehr wohl über den niedrigen Grenzwerten der Ämter lägen. Wenn diese Menschen nun nach einem halben Jahr Gnadenfrist Aufforderungen zur Senkung ihrer Unterkunftskosten erhielten, „werden wir ein Chaos bekommen wie es die Sozialverwaltungen noch nicht erlebt haben.“
„Einige werden spuren und damit aus ihren nachbarschaftlichen Bindungen gerissen. Andere werden vergeblich suchen oder sich schlicht weigern, diesen Zumutungen Folge zu leisten. Die Folgen sind Leistungskürzungen, die schnell auch zur Gefährdung der Wohnung überhaupt führen können oder gar das Ausweichen in illegale Beschäftigung. Auf jeden Fall wird es Widersprüche und Klagen hageln, die die Sozialämter dann mehr beschäftigen werden als die Integration in den Arbeitsmarkt.“
Vor allem aber stünden in vielen Städten Wohnungen zu den bisherigen Limits überhaupt nicht ausreichend zur Verfügung. „Die Umsetzung ist z.b. in Witten oder Bochum schlicht und einfach nicht möglich“, sagt Knut Unger. „Denn die bisherigen Obergrenzen bewegen sich am unteren Rand dessen, was für die jetzige Zahl der Betroffenen unter Inkaufnahme von Härten und Diskriminierungen noch möglich ist.“
„Zwar ist es den Städten freigestellt, ihre bisherigen Regelungen den neuen Bedingungen anzupassen und die Arbeitslosen wenigstens in Sachen Wohnungsversorgung in Ruhe zu lassen. Dann aber stellt sich erneut die Frage, wer diese Selbstverpflichtung auf soziale Selbstverständlichkeiten bezahlt. Wir gehen davon aus, dass den Verhandlungen über den Kostenersatz für die Unterkunftskosten der Kommunen die bisherigen BSHG-Erfahrungswerte zu Grunde liegen. Und das wird wahrscheinlich zu wenig sein.“
Mieterforum Ruhr fordert daher den Erlass einer Verordnung zum SGB II, die zweierlei regelt:
1. Die bisherige Wohnung der Dauerarbeitslosen muss geschützt sein. Die Wohnkosten müssen im Regelfall immer komplett ersetzt werden. „Verdrängungen von Arbeitslosen aus ihrer Wohnung wären unserer Auffassung weder mit dem Grundgesetz noch mit den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen der Bundesrepublik vereinbar. Darauf werden wir wenn nötig zurückkommen.“
2. Bei dem Umzug in eine neue Wohnung können lokale Obergrenzen festgesetzt werden, die sich an einer für die Zahl der arbeitslosen Wohnungssuchenden ausreichenden Anzahl an Wohnungen orientiert, die tatsächlich für die Arbeitslosen zur Verfügung stehen. Diese statistischen Werte können im Zuge wissenschaftlicher Erhebungen zu Mietspiegeln ermittelt werden, was bedeutet, dass die Anzahl und die Miethöhen bei Neuvermietung ermittelt und in ein Verhältnis zu den arbeitslosen Wohnungssuchenden gesetzt werden müssen. Zusätzlich muss überprüft werden, dass das so ermittelte Wohnungsangebot räumlich nicht konzentriert ist. Diese Erhebungen müssen im Unterschied zu den jetzigen Mietspiegelbestimmungen gesetzlich vorgeschrieben werden.
Die angemessenen Wohnungsgrößen müssen verbindlich an die Mindeststandards des WoBindG gebunden werden.
Nur auf der Grundlage einer derartigen Verordnung wären dann auch die Kommunen in der Lage, die tatsächlich anfallenden Wohnkosten zu ermitteln. Auf die Deckung dieser Kosten müssten die Kommunen einen einklagbaren Anspruch haben, „einschließlich der Zinskosten für die Vorfinanzierung bis zum Wirksamwerden der Revision.“
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