Ein Gespenst geht um in Deutschland und verbreitet Furcht und Schrecken unter Vermietern: der Mietnomade. Seit Jahren ist er Top-Schlagzeilenlieferant der Regenbogenpresse und immer wieder Thema sämtlicher Infotainement-Formate aller Privatsender. Auf 15.000 bis 30.000 Fälle pro Jahr und 2,2 Mrd. Euro Schadenssumme wurde das Phänomen dort taxiert. Das rief die neue Bundesregierung auf den Plan: CDSU und FDP vereinbarten im Koalitionsvertrag, durch schärfere Gesetze "eines der drängendsten wohnungswirtschaftlichen und mietrechtlichen Probleme" eindämmen zu wollen. Doch jetzt zeigt sich: Es existiert überhaupt nicht.
Als das Bundesjustizministerium im Oktober die Eckpunkte für eine Mietrechtsreform vorstellte, tat es nichts anderes, als die Koalitionsvereinbarung umzusetzen. Etliche Verschlechterungen - aus Mietersicht - waren dabei (wir berichteten). Mit im Angebot: der Mietnomaden-Paragraph. Konkret soll ein neuer Kündigungsgrund im Gesetz verankert werden: Der Vermieter soll fristlos kündigen können, wenn der Mieter mit der Zahlung seiner Kaution im Rückstand ist.
Offenbar war die Sache aber selbst Bundesbauminister Ramsauer (CSU) nicht ganz geheuer, und er tat das, was die FDP schon in der letzten Legislaturperiode stets gefordert hatte: Er ließ das Phänomen "Mietnomade" wissenschaftlich untersuchen. Denn bei Vermieter- und Maklerverbänden gab es keine belastbaren Zahlen für die Schreckensnachrichten, und bei Fachleuten, Richtern, Deutschem Mietgerichtstag und Deutschem Mieterbund gab es erhebliche Zweifel an den Fallzahlen.
Das Gutachten wurde von der Forschungsstelle Immobilien an der Universität Bielefeld erstellt und am 1. Dezember von Prof. Markus Artz und Prof. Florian Jacoby der Öffentlichkeit vorgestellt. Ergebnis: in den letzten fünf Jahren konnten ganze 200 Fälle von Mietnomadentum in Deutschland nachgewiesen werden. Insgesamt sind ca. 400 Fälle dokumentiert, wobei der älteste Mietnomadenfall aus dem Jahr 1966 stammt.
Es gibt also gar kein Mietnomadenproblem in Deutschland. Angesichts von über 21 Mio. Mietverhältnissen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der gerade in eine Wohnung einzieht, ein Mietnomade ist, bei 0,001 Prozent.
"Die Ergebnisse der vom Bundesbauministerium beauftragten Untersuchung sind peinlich für die Koalition und die Bundesregierung", kommentierte DMB-Präsident Franz-Georg Rips im Dezember. "Sie sind der Mär von zigtausend Mietnomaden in Deutschland aufgesessen und haben Mietrechtsänderungen vereinbart, geplant und formuliert, ohne irgendwelche belastbaren Informationen zum Ausmaß dieses ‚Problems‘ zu haben. Klar ist, wir brauchen keine neuen Gesetze. Vermieter brauchen Hilfe im Einzelfall, zum Beispiel schnellere Verfahren."
Eine oft genannte Methode, Räumungsverfahren zu beschleunigen, ist die sogenannte "Berliner Räumung". Dabei wird die Wohnung nicht vom Gerichtsvollzieher, sondern vom Vermieter selbst geräumt, der dazu sein Vermieterpfandrecht ausübt. Der Gerichtsvollzieher sorgt lediglich für die Herausgabe der Wohnung. Das geht schneller und spart Gebühren. Allerdings muss der Vermieter das Eigentum des Mieters - wenn es unpfändbar ist - verwahren und gegebenenfalls wieder herausgeben. Pfändbares jedoch kann er verwerten und natürlich auch alle entstehenden Kosten vom Mieter zurückverlangen.
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