Das Bild taugt zum Postkartenmotiv: Leuchtend gelbe Flachsfelder, azurblauer Himmel und mittendrin prall und rund das „Lanstroper Ei“. So heißt der alte Wasserturm im Volksmund. Hinter der Bilderbuchkulisse ist es undurchsichtig. Die LEG hat die Lanstroper Siedlung im Sommer 2005 verkauft. 1226 Wohnungen auf einen Streich. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit geben sich seitdem neue Eigentümer die Klinke in die Hand. Der jetzige Mehrheitseigner ist seit September das dänische Unternehmen CenterPlan. Eigentum verpflichtet – auch wenn es um die Belange der MieterInnen geht?
Alles scheint gut. In der 60er Jahre Siedlung mit den hohen, alten Bäumen geht alles seinen Gang. An den Mieten hat sich nichts geändert, die Sozialbindung läuft erst 2009 aus. Kleinere Reparaturen werden von zwei Hausmeistern ausgeführt. Aber größere und dringend erforderliche Sanierungsarbeiten bleiben aus. Die hatte schon die LEG wegen Geldmangels auf die lange Bank geschoben. Es ist ein Schwebezustand für die Bewohner: zwischen dem vertrauten Leben in ihrer Siedlung und einer Zukunft, die scheinbar unangreifbar hinter den Kulissen wächst. Viele leben schon 40 Jahre hier, schätzen die gute Nachbarschaft und den Schnack unterm Küchenfenster. Was kommen wird, weiß keiner. Aber jeder fürchtet es doch. CenterPlan gibt sich strategisch bedeckt und ist eigentlich unsichtbar. Sein deutscher Vertreter sitzt in seinem Büro in Frankfurt. Der Property-Manager Peter Zeumann regelt von hier aus auch den Wohnungsbestand in Duisburg, Essen und Berlin, den CenterPlan 2006 in Deutschland aufgekauft hat.
Neuer Mieterbeirat aktiv
Im November hat er sich gegründet. Peter Wiederstein und fünf „Kollegen“ aus der Siedlung haben sich zusammengetan, um die Mieterinteressen besser zu vertreten. Unter schwierigen Bedingungen, wie sich zeigt. Denn ihr Engagement, vom Briefpapier bis zu den Kosten für Drucker und Telefon, zahlen sie aus der eigenen Tasche. Räumlichkeiten, wo man sich treffen und für andere MieterInnen Ansprechpartner sein kann, gibt es nicht. „Wir sind mit dem Eigentümer in Verhandlung. Noch wissen wir nichts“, sagt Wiederstein. Anfang Januar hatte er zum ersten Mal Zeumann um Unterstützung gebeten. Was kam, war erstmal gar nichts, dann nach Monaten und wiederholten Anfragen ein unverbindliches Signal, das aber bisher wie ein hohler Zahn im Raume steht.
Nahversorgung in Gefahr
Nicht nur die ungewisse Zukunft brennt unter den Nägeln, sondern auch ganz Konkretes. Im April 2005 schloss der Edeka-Markt an der Färberstraße. Der Pachtvertrag mit dem damaligen Eigentümer LEG lief Ende 2005 aus. Er war einer von zwei Supermärkten in Lanstrop und der einzige, in dem es auch ein Frischeangebot an Fleisch, Wurst und Käse zu kaufen gab. Bis heute steht der Flachdachbau leer. Für die Anwohner der Siedlung ein herber Schlag. Wer Frisches einkaufen will, muss einige Kilometer nach Scharnhorst oder Lünen fahren. Viele Ältere können das nicht, weil sie gar kein Auto besitzen und die Fahrt mit dem Bus viel zu beschwerlich ist. Die Mieter behelfen sich, indem sie private Fahrgemeinschaften bilden. Zwei Jahre geht das nun schon so, eine Dauerlösung ist es nicht.
Frische Ideen gefragt
Die Lage ist schwierig. Ca. 4500 Einwohner hat Lanstrop derzeit. Die Zahl ist seit Jahren rückläufig. 30 Prozent davon sind ältere Menschen. Es gibt aber auch viele Sozialhilfeempfänger, Spätaussiedler, weniger junge Familien. Die gesunde Mischung ist etwas aus dem Takt geraten, seit das Wohnungsamt einen Teil der Wohnungen belegt. Viele Bewohner sind in den letzten Jahren aus der sanierungsbedürftigen Siedlung ausgezogen. Es gibt einen Leerstand von 10 Prozent. Die Nahversorgung hat sich im Zuge dieses Abwärtstrends kontinuierlich verschlechtert. Damit der Standort auch für junge Familien wieder attraktiv wird, ist eine funktionierende Nahversorgung wichtig. So sehen es die Vertreter vom Mieterbeirat.
Ein Markt für alle Fälle
Könnte eine Markthalle, die von Händlern an einigen Tagen in der Woche beschickt wird, eine realistische Lösung sein? Wiederstein: „Mit der Idee bin ich schon 2005 an die LEG herangetreten. Wirkliche Unterstützung für den Plan gab es dort nicht.“ Auf eigene Initiative nahm er Kontakt mit mehreren Märkten im Umfeld auf, um deren Interesse am Projekt auszuloten. Es hagelte Absagen. Anfang 2006 dann machte er einen neuen Vorstoß, ein interessierter Händler hatte sich gemeldet. Die Sache kommt jetzt ins Rollen und nimmt Gestalt an: Mit Unterstützung des Mietervereins gelingt es, eine erste Machbarkeitsstudie durch das Architektenbüro Scheffler-Helbig zu erstellen. Im April werden Gespräche mit der Wirtschaftsförderung geführt, die das Projekt unterstützt. CenterPlan reagiert skeptisch. Ohne einen solventen Pächter, der kontinuierliche Mietzahlungen garantiert, laufe nichts. Das können nicht die vielen Markthändler sein, die inzwischen ebenfalls interessiert sind einzusteigen. Was unmöglich erschien gelingt, es findet sich ein potenzieller Pächter. Der Scharnhorster Gastronom Ilyaf Isik ist auch bereit, das leer stehende Gebäude auf eigene Kosten soweit umzubauen, dass es als Markthalle nutzbar ist. Dafür müssen statt der Glasfronten Rolltore eingebaut werden. Ein Kostenvoranschlag soll die notwendigen Investitionen klären. Die Wirtschaftsförderung und CenterPlan übernehmen die Kosten dafür. Wiederstein: „Wir sind ein gutes Stück weitergekommen. Jetzt hängt alles von den weiteren Verhandlungen der Beteiligten ab. Der Kostenvoranschlag ist die Basis dafür.“
InSekt will Nahversorgung
in Lanstrop erhalten
Auch von anderer Seite wird daran gearbeitet, die Nahversorgung in Lanstrop zu verbessern. Auf einem benachbarten Grundstück gegenüber dem ehemaligen Edeka-Markt soll nach Vorschlag des Planungsamtes ein neuer Discounter entstehen. Der Entwurf dazu ist im Mai den Bezirksvorstehern vorgelegt worden. Das „Integrierte Stadtentwicklungskonzept Scharhorst" (InSekt) von 2004 empfiehlt für Lanstrop wegen seiner isolierten Lage ausdrücklich, eine eigenständige Nahversorgung mit zwei Lebensmitteldiscountern aufrechtzuerhalten. Bernd Kunert vom Planungsamt: „Ein Jahr haben wir gesucht. Und jetzt eine Kette gefunden, die sich hier ansiedeln will. Der Markt ist damit nicht überflüssig. Die Konzepte ergänzen sich.“
Wenn alles gut geht, ist der Standort Lanstrop bald ein gutes Stück attraktiver. Ein engagierter Mieterbeirat hat dazu beigetragen. CenterPlan interessieren nur die harten Fakten. Rechnet es sich, ist man zur „Zusammenarbeit“ bereit. Dafür lässt man sich auch gerne einmal von einem Mieterbeirat unter die Arme greifen. Ob der nun auf Unterstützung seiner Arbeit durch das Unternehmen hoffen darf? Auf eine klare Antwort wartet er immer noch.
Verkauf hinter
verschlossenen Türen
01.07.2005: Die LEG verkaufte die 1160 Wohnungen an die Hannoveraner Unternehmensgruppe Baum. Die Öffentlichkeit wird darüber erst am 20.02.2006 informiert.
Juli 2006: Das Hannoveraner Unternehmen firmiert jetzt unter dem Namen Lion Properties I Dortmund GmbH mit Sitz in Hildesheim.
01.09.2006: Die dänische CenterPlan Immobilien AG wird Mehrheitsgesellschafter von Lion Properties I Dortmund und Lion Properties I Duisburg Gmbh. Seit 2006 ist CenterPlan in den deutschen Markt eingestiegen und unterhält jetzt Wohnungen in Berlin, Duisburg, Essen und Dortmund.
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