Wohnungspolitik
22. September 2011 (Wohnungspolitik)

Angemessene Mietwerte für Hartz IV-Empfänger im Ruhrgebiet

Ein Etappensieg für hilfebedürftige Mieter: Landessozialgericht hat über den Flächenfaktor ent­schieden.

Das Landessozialgericht NRW (LSG) hat im Mai dieses Jahres entschieden: In NRW gelten ab dem 01.01.2010 bei der Berechnung der Angemessenheitsgrenzen für Mieten die Flächenwerte 50m2 für die erste Person sowie 15m2 für jede weitere Person. Diese Frage war vorher sehr umstritten. Das Bundessozialgericht hatte Ende 2009 zwar entschieden, dass auf die Flächenwerte für den sozialen Wohnungsbau abzustellen sei. Diese Werte wurden in NRW dann jedoch zu Beginn 2010 geändert und an an den bundesweiten Standard angepasst. Das LSG ist nun der Auffassung, dass die neuen, höheren Werte gelten. Soweit bekannt, ist die Frage beim LSG selbst nicht umstritten, die nun ausgeurteilte Auffassung wird von allen zuständigen Senaten des LSG geteilt. Gegen das Urteil des LSG ist aber Berufung eingelegt worden, daher wird noch das Bundessozialgericht entscheiden müssen. Allerdings ist das Urteil überzeugend begründet, sodass gute Chancen bestehen, dass dieses vor dem Bundessozialgericht standhält.

Ist es sinnvoll Widerspruch einzulegen oder einen Überprüfungsantrag zu stellen?
Wer bisher schon angemessen teuer wohnt und die Mietkosten vollständig erhält, für den ist diese Frage bedeutungslos. Aus dem Urteil resultiert auch kein Anspruch auf eine größere Wohnung. Wer aber einen Teil seiner Miete selbst zahlen muss, sollte für noch nicht rechtskräftige Bescheide unbedingt mit Hinweis auf das Urteil Widerspruch einlegen. Für bereits rechtskräftige Bescheide kann für das zurückliegende Jahr ein Überprüfungsantrag (§ 44 SGB X) gestellt werden. Wichtig ist diese Entscheidung auch für alle Hilfebedürftigen, die aus anderen Gründen umziehen müssen. Insbesondere bei der Anmietung einer neuen Wohnung spielt die Angemessenheitsgrenze eine große Rolle. Wenn hier eine Zustimmung zur Übernahme der Miete oder von Umzugskosten wegen einer falsch und zu niedrig berechneten Angemessenheitsgrenze verweigert wird, sollten auch hier Rechtsmittel eingelegt werden. In dieser Situation kommt auch ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht in Betracht.

Was steckt eigentlich hinter diesem Streit?
Zunächst geht es auf Seiten der kommunalen Träger schlicht ums Geld. Allerdings dürfte die neue Rechtsprechung die Kosten der Unterkunft nur um wenige Prozent steigen lassen. Die Richtlinien im sozialen Wohnungsbau waren geändert worden, um die Werte an einen bundeseinheitlichen Maßstab anzugleichen. Dieser Grundsatz gilt auch im SGB II und SGB XII. Eine angemessene Wohnungsgröße kann kaum vom Bundesland abhängen, der Raumbedarf eines Hilfebedürftigen ist in ganz Deutschland gleich groß. Faktisch wird durch die Änderung von 45 m2 auf 50 m2 dem auf fast jedem Wohnungsmarkt bestehenden Problem begegnet, dass verfügbare Kleinwohnungen sehr selten sind. Rund Dreiviertel aller Haushalte bestehen aus einer oder zwei Personen. Das mit Abstand größte Wohnungsangebot besteht für Dreizimmerwohnungen oberhalb von 60 m2. Es geht daher eigentlich nicht um Wohnungsgrößen sondern darum, Angemessenheitsgrenzen so zu gestalten, dass alleinstehende Hilfebedürftige auch eine Chance haben, angemessen teure Wohnungen anzumieten.

Landessozialgericht Essen, Urteil v. 16.05.2011 L 19 AS 2202/10,
im Internet zu finden unter www.sozialgerichtsbarkeit.de


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