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28. März 2012 (Aus den Städten)

Der Mieterverein hat eine Bewusstseinsänderung hervorgerufen

Interview mit Hans-Peter Neuhaus (Wohnungsamtsleiter Dortmund) - Wenn Hans-Peter Neuhaus Ende Juni seinen Schreibtisch im Amt für Wohnungswesen räumen wird, geht einer der dienstältesten Amtsleiter Dortmunds in den Ruhestand. MieterForum sprach mit dem 66-Jährigen über mehr als vier Jahrzehnte Wohnungspolitik.

MieterForum:
Herr Neuhaus, der Journalist Kay Bandermann bezifferte Ihre Amtszeit einmal auf "gefühlte drei Generationen". Wie viele Jahre waren es wirklich?

Hans-Peter Neuhaus:
Im Wohnungsamt habe ich 44 Jahre verbracht. 1968 begann ich als Finanzierungssachbearbeiter. Von 1976 bis 1986 bearbeitete ich die Rechtsangelegenheiten, bevor ich stellvertretender Amtsleiter wurde. Seit 1994 habe ich das Amt für Wohnungswesen geleitet. Ein Zeitraum, der für viele Menschen unvorstellbar ist.

Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Ich denke, die Vorstellung davon, wie der Einzelne wohnen möchte. Ich habe verschiedene Großprojekte entstehen sehen und teilweise – wie etwa bei den beiden Hannibal-Gebäuden – selbst bewilligt. Der Clarenberg war ein absolutes Highlight des damaligen Städtebaus. Die Nachfrage nach Wohnungen in solchen Großsiedlungen und Hochhäusern war größer als das Angebot. Die ersten zehn, 15 Jahre haben diese Häuser auch funktioniert. Heute, 40 Jahre später, sind wir etwas schlauer. Mieter haben heute andere Prioritäten in Bezug auf ihr Wohnumfeld.

Was für Möglichkeiten besitzt das Amt für Wohnungswesen, um strauchelnde Großsiedlungen oder Quartiere zu stabilisieren?

Unsere Möglichkeiten sind sehr begrenzt, wenn es um privatwirtschaftliches Engagement geht. Die Versteigerung des Dorstfelder Hannibal vor ein paar Wochen hat es deutlich gemacht. Höchstbieter bei der Zwangsversteigerung war eine unbekannte Gesellschaft, anscheinend gewillt, den doppelten Preis des Verkehrswertes auf den Tisch zu legen. Selbst, wenn das kommunale Wohnungsunternehmen aus Interesse oder sozialer Verantwortung mitgeboten hätte, wäre es unverantwortlich gewesen, diesen Preis zu zahlen. Als städtische Behörde laden wir solche Groß-investoren zu Gesprächen ein und versuchen moderierend und vermittelnd tätig zu werden. Leider werden unsere Angebote nur selten angenommen.

Die Großinvestoren auf dem Wohnungsmarkt sind ein Problem, das sich erst in den vergangenen zehn Jahren herauskristallisiert hat. Hat sich auch der Schwerpunkt Ihrer Arbeit im Laufe der Jahre verändert?

Rückblickend betrachtet: Ja. 25 Jahre lang ging es darum, Akten zu bearbeiten. Die soziale Wohnraumförderung spielte eine große Rolle. Wir hatten Anfang der 1990er Jahre noch 100.000 Sozialwohnungen in dieser Stadt. Erst in den vergangenen 15 bis 20 Jahren ist das Wohnen zu einem sozialpolitischen Thema geworden: mit den Schwerpunkten Wohnungspolitik, Sozialpolitik und Stadtentwicklungspolitik. Es ist ein ganzheitliches Thema geworden.

Im Gegensatz zu anderen Ruhrgebietsstädten leistet sich Dortmund noch immer ein großes Wohnungsamt. Wie kommt es dazu?

Wir haben uns bis heute erfolgreich dagegen wehren können, in andere Ämter integriert zu werden. Die Pläne gab es durchaus schon Anfang der 1990er Jahre. Aber ich denke, wir haben gute Arbeit geleistet, und die Ergebnisse zeigen, dass es wichtig ist, das gesamte Aufgabenspektrum zum Thema Wohnen zu bündeln. Würde das Wohnungsamt in einer Großstadt über mehrere Dezernate und Ämter verteilt, wäre niemand mehr in der Lage, den Überblick zu behalten. Ich denke Politik und Verwaltungsvorstand haben gemerkt, dass man mit einem aktiven Verwaltungsbereich positiv Veränderungsprozesse in der Stadt steuern kann. Und auch nach meinem Ausscheiden wird das Amt weitergeführt werden.

Wie blicken Sie auf die Zusammenarbeit mit dem Mieterverein zurück?

Früher, vor etwa 25 Jahren, gab es faktisch keine Zusammenarbeit. Die Rolle der Mietervereine war die des Rechtsberaters für Mieter. Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Die sehr aktive, wohnungspolitische Beteiligung wurde erst durch den damaligen Vorstandssprecher Helmut Lierhaus forciert. Ich kann mich noch gut an Aktionen erinnern, bei denen auf einmal 20 Personen der Dortmunder Selbsthilfe in der Amtsstube protestierten. Das war für uns als Amt ein Lernprozess. Aber letztendlich hat der Mieterverein zu einer Bewusstseinsänderung beigetragen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine gute Zusammenarbeit. Der sogenannte "Dortmunder Weg", mit vorbereitenden bilateralen Gesprächen und einem runden Tisch, an dem das Amt für Wohnungswesen als Moderator zwischen Mietervertretung und Großinvestoren agiert, hat sich bewährt.

Was geben Sie Ihren Nachfolgern mit auf den Weg?

Denen gebe ich gar nichts mit auf den Weg. Seit bestimmt zehn Jahren berate ich mich intensiv mit meinen beiden Stellvertretern. Elke Beißner ist seit Ende der 1970er Jahre hier im Amt, Thomas Böhm seit Mitte der 1990er Jahre. Die beiden wissen ganz genau, was sie tun müssen, um erfolgreich zu sein. Das Amt wird nach meinem Ausscheiden genauso gut weitergeführt werden wie bisher.

Wie wird es für Sie nach dem 01.07.2012 weitergehen?

Das ist wirklich nicht so einfach. Ich mache meinen Job bis zum Ausscheiden so, wie ich ihn die vergangenen 18 Jahre als Amtsleiter gemacht habe. Und das wird auch bis zum letzten Arbeitstag so sein. Was danach kommt, kann ich mir noch nicht so richtig vorstellen. Aber ab dem 01.07. wird sich wohl etwas ändern.

Werden Sie sich als ehemaliger Handball-Nationalspieler und Olympia-Teilnehmer in der Nachwuchsförderung engagieren?

Sport spielt für mich noch immer eine große Rolle. Ab Frühjahr werde ich als Trainer im A-Jugendbereich beim OSC Dortmund tätig sein, darauf freue ich mich schon. Das ist die erste Brücke in das Leben nach dem Amt. (mik/ra)

Kommentar
Über 40.000 Mietwohnungen sind in der Hand von Finanzinvestoren. In vielen Siedlungen leiden die Mieterinnen und Mieter unter ausbleibender Instandhaltung und Wohnungsmängeln – dort ist städtisches Handeln gefragt. Die energetische Sanierung von Wohngebäuden und die Schaffung altersgerechten Wohnraums, die für Mieterinnen und Mieter bezahlbar bleiben, sind ohne Wohnungsbauförderung nicht zu stemmen. Das Wohnungsamt ist dabei eine zentrale Schaltstelle für das Einwerben von Landesfördermitteln und für die Beratung von Eigentümern. Der im Jahr 2011 veröffentlichte Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zeigte auf, wie stark die Dortmunder Bevölkerung von Armut betroffen ist. Wohnungspolitik ist daher nicht nur Stadtentwicklungs- sondern auch Sozialpolitik. Für all diese Herausforderungen braucht Dortmund auch in Zukunft ein eigenes und handlungsfähiges Wohnungsamt.


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